Zoff um Kaiser's Tengelmann "Das ist unser letzter Versuch"

Mülheim · Was soll Mitarbeiter an die Zukunft von Kaiser's Tengelmann glauben lassen, wenn drei Vorstandschefs die Verhandlungen für gescheitert erklären? Wem auch immer die Belegschaft die Schuld für das mögliche Ende der Supermarktkette gibt – an Verantwortungsgefühl im Management glaubt vermutlich niemand mehr.

 Rewe-Chef Alain Caparros hat ein Gesprächsangebot gemacht und dafür einen Mediator ins Spiel gebracht.

Rewe-Chef Alain Caparros hat ein Gesprächsangebot gemacht und dafür einen Mediator ins Spiel gebracht.

Foto: dpa, obe htf

Was soll Mitarbeiter an die Zukunft von Kaiser's Tengelmann glauben lassen, wenn drei Vorstandschefs die Verhandlungen für gescheitert erklären? Wem auch immer die Belegschaft die Schuld für das mögliche Ende der Supermarktkette gibt — an Verantwortungsgefühl im Management glaubt vermutlich niemand mehr.

Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Die Manager scheinen Kaiser's nur noch dann eine Chance geben zu wollen, wenn sich die anderen bewegen, aber bloß nicht sie selbst. Tengelmann behauptet, die erneuerte Rewe-Offerte einer Komplettübernahme sei unseriös. Die Kölner hätten nur Daten über einzelne Filialen haben wollen — ein Vorwurf, der nach Spionage klingt. Edeka will sich nicht äußern.

Die Hamburger hatten am Donnerstag erklärt, Rewe habe mehrfach Termine platzen lassen und keine kartellrechtlich sichere Lösung geboten. Bei Rewe, so heißt es in Handelskreisen, sei man wütend auf den Konkurrenten, weil der sich seine Zustimmung zur Aufteilung von Kaiser's angeblich mit 250 Millionen Euro abkaufen lassen wollte. Ansonsten habe Edeka nur die Verhandlungen verzögert. Wieder mal Schuldzuweisungen.

Einigung war fast perfekt

Dabei waren sie sich beinahe einig gewesen. Edeka hatte vorgeschlagen, dass Rewe die Kaiser's-Filialen in NRW und Berlin, Edeka jene in Bayern bekommen sollte. Norma, ebenfalls Beschwerdeführer gegen die Ministererlaubnis, sollte nach Informationen unserer Redaktion — 150 Millionen Euro von Rewe und Edeka bekommen, die Markant-Gruppe durch Rewe und Tengelmann für ihren Rückzug der Beschwerde entschädigt werden. Eine Vorvereinbarung, die alle unterschrieben haben.

Bedenken, dies könne möglicherweise nicht im gewünschten Einklang mit der Ministererlaubnis stehen, sollen weggewischt worden sein — von wem, darüber geht die Wahrnehmung auseinander. Die einen sagen, Verdi-Chef Frank Bsirske habe dies behauptet, andere haben Caparros als Zweifel-Zerstreuer in Erinnerung. Warum alle daran glauben wollten, erscheint neutralen Beobachtern eh schleierhaft. Jedenfalls war plötzlich wieder Sand im Getriebe — wohl auch, weil irgendeinem klar geworden sein muss, dass die Aufteilung von Kaiser's in zwei große Pakete nicht im Mindesten in Einklang zu bringen ist mit der Ministererlaubnis, die nur einen Verkauf einzelner Filialen durch Edeka als Ausnahme vorsieht.

Gabriel oder Platzeck mögliche Schlichter

Wie auch immer: Caparros sagt, er habe keine Daten bekommen, um das Edeka-Angebot seriös prüfen zu können. Die Gegenseite wirft ihm vor, er habe die Einzeldaten nur haben wollen, um zu sehen, welche Niederlassungen für Rewe interessant sein könnten — sogar jene aus Bayern, obwohl er die Filialen in NRW und Berlin bekommen sollte. "Unseriös" nennt eine Tengelmann-Sprecherin die Rewe-Offerte, "weil Herr Caparros immer Sachen verspricht, aber sicher sein kann, dass diese Dinge nicht umsetzbar sind".

Egal, auf welcher Seite man steht — angesichts der aufgeheizten Atmosphäre fragt man sich, wie noch einmal gedeihliche Gespräche zustandekommen sollen. Rewe-Chef Alain Caparros hat ein Gesprächsangebot gemacht ("Das ist aber unser letzter Versuch") und dafür einen Mediator ins Spiel gebracht. Das könnte Sigmar Gabriel sein oder der frühere SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck, sagte Caparros unserer Redaktion. Es müsse jemand mit Kompetenz und Autorität sein, lautet die Stellenbeschreibung des Rewe-Chefs für die Vermittlerfunktion.

Gabriel sagte zu dem Thema: "Ich finde, man muss auch noch einmal die Idee erörtern, ob nicht ein Schlichter helfen kann". Nach solchen Äußerungen könnte man beinahe auf die Idee kommen, die Protagonisten hätten diese Möglichkeit bereits erörtert.

Tengelmann-Chef hofft immer noch auf Ministererlaubnis

Bei Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub war am Freitag von Vermittlung zunächst (noch?) nicht die Rede. "Ich habe noch einmal an Rewe, Markant und Norma appelliert, das Wohl von 16.000 Menschen und ihrer Angehörigen über ihre wirtschaftlichen Interessen zu stellen und den Weg frei zu machen für die Übernahme durch Edeka", sagte Haub, der mit solchen Formulierungen natürlich die Frage heraufbeschwört, wie es sich denn eigentlich mit seiner eigenen sozialen Verantwortung und seinen wirtschaftlichen Interessen verhält.

Vermutlich würde Haub sagen, er habe die Verluste auch schon 15 Jahre getragen. Aber die wären wiederum nicht in der Höhe entstanden, wenn er investiert hätte, könnten seine Gegner erwidern. Einstweilen hofft der Tengelmann-Chef immer noch auf die Ministererlaubnis. Und wenn nicht, dann will er schon nächste Woche Interessensbekundungen einholen, wie es im Wirtschaftsdeutsch heißt.

Statt Erhaltung wird also zerschlagen, wenn kein Wunder passiert — getreu dem Motto "Hier stehe ich, ich kann nicht anders". Wobei Zerschlagung abseits aller menschlichen Tragödien, die damit verbunden sind, auch ökonomisch nicht so einfach ist, wie es bei Haub klingt. Bei Filialen, die mehr als fünf Millionen Euro Umsatz machen, könnte eine Übernahme nämlich auch anmeldepflichtig beim Kartellamt werden, und dann droht Haub erneut eine Verzögerung des Verfahrens, die er so dringend vermeiden will. Der einzig gangbare Weg: Kaiser's so klein schneiden, dass es ohne Kartellamt geht. Das wäre ein sehr mühsamer Weg.

(gw)
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