Jubiläum in Neuss Der Familienkonzern Werhahn wird 175

Neuss · Ein Google-Manager fliegt aus den USA als Hauptredner zum Jubiläum des Neusser Traditionsunternehmens ein. Werhahn modernisiert sich, gibt manches alte Geschäft auf - und setzt nun auf Digitales, Zukäufe und die erste Frau im Vorstand.

Wie tickt Werhahn? "Wir haben Tradition, wir sind ein Familienunternehmen, wir sind breit aufgestellt, und wir wandeln uns immer wieder", sagt Anton Wehrhahn, Dynastiemitglied der fünften Generation und seit 2005 Vorstandssprecher. Und warum lädt der Familienkonzern zur Jubiläumsfeier am Freitag den für Innovationen zuständigen Google-Manager Frederik Pferdt ein? "Ein junger Angehöriger der Familie fand den als Vordenker spannend", erzählt Anton Werhahn, selber 57 Jahre alt. "Also schrieben wir Pferdt an. Und der kommt als Deutscher gerne, weil er den Spannungsbogen von Google als völlig neuer Firma und uns als Traditionsunternehmen spannend findet."

Die Geschichte der Einladung sagt einiges über das Unternehmen mit mittlerweile knapp 400 Anteilseignern und rund 9000 Mitarbeitern aus: Die siebtreichste Familie Deutschlands (so das "Manager Magazin") hält noch immer die Kontrolle und tauscht sich rege über die Zukunft ihres Unternehmens mit seinem Umsatz von 3,2 Milliarden Euro aus. Das Management setzt weiter auf die Geschäfte rund um Baustoffe (erster Einstieg 1888), Finanzdienstleistungen (erste Aktivitäten 1969 mit dem Kauf der ABC-Bank) und Konsumgüter rund um die 1971 ganz gekaufte Zwilling-Gruppe in Solingen, und orientiert sich gleichzeitig immer wieder neu.

Kostensparen hat Tradition

Einige Millionen Euro wanderten beispielsweise in Venture-Capital-Fonds, mit denen der Aufbau von kleinen Digital-Firmen unterstützt wird - das Ergebnis von 144 Millionen Euro (2014) erlaubt solche Aktivitäten locker. Die ABC-Bank und Zwilling setzen zunehmend auf digitale Instrumente, um den Vertrieb zu steuern - Kostensparen hat Tradition. Man ist intern auch froh, sich nicht wie die vergleichbare Haniel-Gruppe aus Duisburg mit viel zu teuren Akquisitionen geschwächt zu haben.

Als weiteres Ziel will Werhahn internationaler mit einer besseren Marktposition in den jeweiligen Geschäften werden: So wanderte kürzlich für 70 Millionen Euro das italienische Unternehmen Ballarini ins Portfolio. Die Strategie ist klar: Weil Zwilling sowieso einen globalen Vertrieb aufgebaut hat, soll der nun auch noch die schicken Töpfe und Pfannen von Ballarini verteilen. "Weitere Zukäufe könnten uns Innovationen bringen", sagt Finanzvorstand Kathrin Dahnke, "die gut zu Zwilling passen". Sie bestätigt, dass Werhahn mit seiner Eigenkapitalquote von 70 Prozent gerüstet ist, um weitere Akquisitionen zu wagen: "Die Kriegskasse ist gut gefüllt."

Dabei bestätigt die Berufung von Dahnke vor zwei Jahren in den zweiköpfigen Vorstand, wie sehr Werhahn ein modernes Unternehmen geworden ist: Sie ist die erste Frau in der ersten Führungsebene - das ist schon fast eine kleine Revolution. Und die kühl rechnende Betriebswirtin steht dafür, das Unternehmen nach der erwirtschafteten Kapitalrendite zu steuern. Damit einher geht, dass Werhahn sich immer wieder aus Geschäften zurückzog, die zu niedrige Gewinne bringen: 2014 wurden die Mühlenaktitäten weitgehend aufgegeben - 1988 war genau dieses Geschäft stark ausgebaut worden, das schon seit 1871 zu Werhahn gehört hatte.

Seit 1908 stieg die Gruppe in die Lebensmittelindustrie ein - 1987 wurde der Bereich verkauft.

Eine Sorge bleibt, dass die Mitglieder des Clans eher selten im Unternehmen mitmachen wollen. Der Hauptgrund: Sie haben häufig spannende Aufgaben in anderen Wirtschaftsbereichen gefunden - so auch der Ideengeber für die Einladung von Google.

Mit Seminaren und Praktika soll der Familiennachwuchs stärker an die Firma gebunden werden - und auch mit einer spannenden Jubiläumsfeier.

(RP)
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