Krankenkassen-Chefin Pfeiffer im Interview "In Deutschland gibt es zu viele Apotheken"

(RP). Interview Die Chefin des Spitzenverbandes der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, fordert mehr Einsparungen

Ist Gesundheitsminister Rösler der neue Robin Hood der Krankenkassen?

Pfeiffer Der Minister hat mehrfach betont, dass es seine Aufgabe ist, das Gesundheitswesen und die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren. Dazu gehören insbesondere die Ausgaben. Deshalb ist es gut, dass er jetzt an die Arzneimittelausgaben herangeht.

Müssen neben der Pharma-Industrie auch andere einen Sparbeitrag leisten?

Pfeiffer Wir haben bei den Arzthonoraren in den vergangenen Jahren erhebliche Steigerungen gehabt. Das kann nicht endlos so weitergehen, wenn bei den Versicherten gleichzeitig die Einkommen stagnieren und die Arbeitslosigkeit wächst.

Sollen die Ärzte künftig weniger Honorar erhalten, wenn auch die Löhne sinken?

Pfeiffer Zurzeit ist es so, dass die Entwicklung der Arzthonorare an die Morbidität der Bevölkerung gekoppelt ist. Nur was ist die Morbidität? Das ist das, was die Ärzte an Diagnosen aufschreiben. Das gibt es in keinem anderen System der Welt. Die Ausgaben im Gesundheitssystem müssen mit der wirtschaftlichen Lage korrespondieren. Wir brauchen eine Kopplung der Arzthonorare an die wirtschaftliche Entwicklung.

Was erwarten sie von den Apotheken?

Pfeiffer Es wäre sinnvoll, den Großkundenrabatt, den die Kassen jetzt bei den Apotheken pro Packung bekommen, gesetzlich festzulegen und nicht, wie jetzt vorgesehen, zu verringern. Da ließe sich ein dreistelliger Millionen-Betrag einsparen, ohne dass die Versorgung gefährdet wäre. Wir haben eine Apotheken-Dichte, die im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Die Gewinnspannen der Apotheken sind immer noch so groß, dass sich mehr Apotheken halten können, als benötigt werden.

Es heißt, bei den Krankenhäusern gibt es keine Einsparpotenziale mehr.

Pfeiffer Das sehe ich anders. Bei den Krankenhäusern gibt es zwar Preisverhandlungen über Fallpauschalen. Aber es gibt überhaupt keine Mengensteuerung mehr. Die Kliniken haben Überkapazitäten. Die Krankenhäuser sind nur zu 70 Prozent ausgelastet. Wettbewerb ist in diesem Bereich ein Fremdwort.

Die Kassen haben 2009 eine Milliarde Überschuss erzielt, dennoch erheben sie Zusatzbeiträge. Warum?

Pfeiffer Wir reden über zwei verschiedene Jahre. Wenn es auch nach den endgültigen Zahlen bei einer Milliarde bleibt, dann ist das der Überschuss für 2009. Für 2010 erwarten wir aber eine Differenz bei Einnahmen des Gesundheitsfonds und Ausgaben der Kassen von knapp acht Milliarden Euro. Davon wird die Hälfte durch den einmaligen Bundeszuschuss ausgeglichen. Das heißt aber, es bleibt ein Defizit von vier Milliarden Euro. Das können die Kassen nur durch Zusatzbeiträge füllen.

Michael Bröcker und Eva Quadbeck führten das Interview.

(RP)
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