Argumente gegen Diesel-Verbot Viele Jobs hängen am Verbrennungsmotor

Berlin · Die Grünen fordern ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor. Doch Ifo-Institut und die deutsche Autoindustrie warnen davor: Bis zu 620.000 Arbeitsplätze wären gefährdet. Fahrzeughersteller wollen auch geplante Diesel-Fahrverbote verhindern.

 Blick auf die Auspuffrohre eines Diesel-Pkw. (Symbolbild)

Blick auf die Auspuffrohre eines Diesel-Pkw. (Symbolbild)

Foto: dpa

Das Münchner Ifo-Institut sieht in einer Studie für den Verband der Automobilindustrie (VDA) bis zu 620.000 industrielle Jobs gefährdet, sollte der Gesetzgeber Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren verbieten. 457.000 Beschäftigte arbeiteten direkt für den Verbrennungsmotor, weitere 163.000 indirekt in der Produktion von Metallteilen, Schaltgetrieben oder Kraftstoffen, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest gestern in Berlin. Besonders gefährdet seien bei einem Aus für den Verbrennungsmotor 132.000 Stellen bei kleineren und mittleren Zuliefererfirmen.

Fuest lehnte ebenso wie der VDA ein Verbot für Neuzulassungen von Benzin- und Dieselfahrzeugen ab, wie es etwa von den Grünen ab dem Jahr 2030 gefordert wird. Um dennoch die Klimaschutzziele zu erreichen, müsse der Verkehrssektor in den Zertifikatehandel für Treibhausgasemissionen einbezogen werden, sagte der Ifo-Chef. Die Kraftstoffe und somit das Fahren mit Verbrennungsmotor würden für die Autofahrer entsprechend teurer.

Ein Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotoren ist unwahrscheinlich. Außer den Grünen will es in Deutschland keine andere Partei. Allerdings steht die Automobilindustrie zunehmend unter Druck, regulatorische Vorgaben zu erfüllen. Der Abgas-Skandal hat deutlich gemacht, dass die Industrie die Software von Verbrennungsmotoren manipulieren musste, um Grenzwerte für Treibhausgasemissionen einzuhalten. Zudem drohen in deutschen Großstädten Fahrverbote, weil ältere Dieselfahrzeuge die Stickstoffdioxid-Grenzen verletzen.

"Weder ökonomisch sinnvoll noch strategisch klug"

 Grafik: Thinkstock, Zörner

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Foto: Zörner

VDA-Präsident Matthias Wissmann kritisierte das von den Grünen für 2030 geplante Zulassungsverbot und sagte: "Solche Termine zu nennen, ist weder ökonomisch sinnvoll noch strategisch klug." Grünen-Chef Cem Özdemir hielt gestern dagegen. "Gerade weil so viele Arbeitsplätze am fossilen Verbrennungsmotor hängen, brauchen wir einen Weckruf." Der Verbrennungsmotor sei weltweit ein Auslaufmodell, die deutsche Industrie dürfe den Anschluss nicht verlieren.

Allerdings ist die deutsche Autoindustrie beim Thema E-Mobilität offenbar besser als ihr Ruf. Denn aus der Ifo-Studie geht auch hervor, dass weltweit die meisten Patente für alternative Antriebe aus Deutschland kommen - ein Drittel aller Erfindungen. "Man kann nicht sagen, dass die deutsche Industrie hier nichts tun würde", sagte Fuest.

Problem sei allerdings die Umsetzung: In Deutschland seien weiterhin viel zu wenig E-Autos auf den Straßen. Wissmann prognostizierte für 2025 einen Anteil an E-Automobilen auch in Deutschland von 20 bis 25 Prozent. In Norwegen hätten deutsche E-Auto-Hersteller bereits einen Marktanteil von 57 Prozent. Die Gründe für den geringen E-Auto-Absatz in Deutschland seien bekannt: die noch zu schlechte Ladesäuleninfrastruktur und zu hohe Preise schreckten ab.

Plädoyer für "technikneutrale Instrumente"

Ein Zulassungsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2030 würde die Treibhausgasemissionen im Verkehr allerdings sofort drastisch reduzieren - um 32 Prozent gegenüber dem Stand heute. Auch das ist ein Ergebnis der Ifo-Studie. Dennoch sei ein Verbot nicht richtig, sagte Fuest. Er plädierte für "technikneutrale Instrumente". Die Politik dürfe keine Technologie von vornherein ausschließen. Noch sei nicht klar, was noch alles erfunden werde. Wissmann sprach von "klimaneutralen Kraftstoffen", die gerade ebenfalls entwickelt würden.

Die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg will unterdessen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städten wie Stuttgart durch die Nachrüstung der Autos verhindern. Das Kabinett unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann einigte sich gestern auf diese politische Linie. Auf einem Autogipfel am 2. August soll sich die Bundesregierung mit den Herstellen auf eine bundesweit einheitliche Nachrüstung einigen, die für die Kunden kostenlos ist. Heute wird in Stuttgart ein weiteres Gerichtsurteil erwartet: Die Deutsche Umwelthilfe hat die sofortige Einhaltung der NOX-Grenzwerte eingeklagt.

(mar)
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