Henkel bekommt einen neuen Chef Nach dem kühlen Dänen kommt der warmherzige Belgier

Düsseldorf · Wodurch zeichnete sich Kasper Rorsted bei Henkel aus? Vorrangig natürlich durch exzellente Zahlen. Auch durch seine extrem intensive Reisetätigkeit – an mehr als 150 Tagen im Jahr war er unterwegs in vielen Ecken des Weltkonzerns. Aber auch durch eine manchmal etwas aufgezwungene Distanz: Freunde wolle er keine im Unternehmen haben, bekannte der Däne und verheiratete Vater von vier Kindern einmal demonstrativ. So könne er alle Mitarbeiter fair behandeln, erklärte er auf den ersten Blick nachvollziehbar.

Henkel: Hans Van Bylen folgt auf Kasper Rorsted
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Foto: dpa, fg tmk wst

Wodurch zeichnete sich Kasper Rorsted bei Henkel aus? Vorrangig natürlich durch exzellente Zahlen. Auch durch seine extrem intensive Reisetätigkeit — an mehr als 150 Tagen im Jahr war er unterwegs in vielen Ecken des Weltkonzerns. Aber auch durch eine manchmal etwas aufgezwungene Distanz: Freunde wolle er keine im Unternehmen haben, bekannte der Däne und verheiratete Vater von vier Kindern einmal demonstrativ. So könne er alle Mitarbeiter fair behandeln, erklärte er auf den ersten Blick nachvollziehbar.

Aber die Aussage zeigte auch einen gewissen Abstand zum Unternehmen, das er mit 53 Jahren nun in Richtung Adidas verlässt. So erklärte er denn auch noch kurz vor Weihnachten, als wir ihn fragten, ob er sich nach elf Jahren bei Henkel nun als Henkelaner fühle, nur, dass er "stolz" sei so lange bei Henkel zu sein, davon seit rund rund acht Jahren als Chef.

Die "Unternehmenskultur und die gute und enge Zusammenarbeit mit den Kollegen in diesen Jahren" hätten ihn auch "sehr geprägt", aber Henkelaner wollte er sich trotzdem nicht nennen — wahrscheinlich schon ahnend, dass der Wechsel zu Adidas im von ihm so geliebten Bayern bevorstand.

Der Nachfolger Hans Van Bylen wird das umgekehrt sehen. Er arbeitet mit 32 Jahren schon so lange für Henkel, dass er fast zur Familie gehören könnte. Wenn der Konzern in sein Gästehaus nach Hösel lädt, war Hans Van Bylen schon länger selbstverständlich dabei.

An irgendeinem der schweren Holztische in dem ehrwürdigen Anwesen sitzt er dann. Einer, der in der Menge leicht untergeht. Bylen wirkt nicht so, als würde ihm das irgendetwas ausmachen, als bräuchte er die Bühne, den großen Auftritt — Rorsted war offensiver.

Freundlich widmet sich der Belgier mit dem charmanten Akzent seinen Tischnachbarn zur Rechten und zur Linken, gibt geduldig und zugewandt Auskunft über das, was er mit seiner Kosmetiksparte vorhat. Gern nutzt er dann die Gelegenheit für eine kleine persönliche Marktstudie, fragt nach, welche Kosmetik und Cremes seine Gesprächspartner benutzen. Und bleibt auch dann noch freundlich, wenn es keine Henkel-Produkte sind.

Nach dem etwas kühlen Dänen kommt nun also ein betont warmherziger und dem Konzern auch innerlich sehr tief verbundener Manager. So lässt sich jedenfalls die Wahl von Hans Van Bylen zum Chef des Düsseldorfer Dax-Konzerns interpretieren.

Seit zehn Jahren sitzt er im Vorstand, ungefähr doppelt so lange wie alle weiteren vier einfachen Vorstände — das war ein wichtiges Kriterium für seine Wahl durch den Aufsichtsrat. Seit 32 Jahren ist der dreifache Vater bei Henkel, als 23-jähriger Außendienstler für Waschmittel kam er 1984 hinzu, stieg dann in immer weiteren Schritten auf.

"Wir haben sehr großes Vertrauen in ihn", sagt ein Aufsichtsrat und erzählt, man habe sich schon vor Weihnachten darauf verständigt, einen Nachfolger für Rorsted zu suchen und sich dabei schon auf Van Bylen als beste Wahl geeinigt.

Und während Rorsted sich gerne mit anderen Vorstandschefs rund um die Welt traf und auch regelmäßiger Gast beim Weltwirtschaftsforum in Davos ist, gilt Van Bylen eher als intern orientierter Manager: "Wir werden wohl etwas mehr Teamplay an der Spitze haben", sagt ein Aufsichtsrat, "Kasper Rorsted führte den Konzern schon stark als Einzelperson und wie ein amerikanischer Chief Executive Officer, jetzt wird sich die Entscheidungsbasis verbreitern."

Erstaunlich ist dabei, dass Van Bylen ausgerechnet die kleinste der drei Sparten führt. aber mit einer Kapitalrendite von 21,2 Prozent schlägt die Kosmetik sogar die viel größere Klebstoffsparte sowie das traditionsreiche Waschmittelgeschäft rund um Persil. Van Bylen gilt dabei als Innovationsantreiber, er nennt es "Kultur der Korrektur." Manager und einfache Mitarbeiter müssten mehr riskieren, anstatt das Geschäft nur zu verwalten: "Natürlich ist nicht alles, was wir machen, ein Treffer. Aber wir leben die Kultur der Veränderung — wenn etwas nicht läuft, muss man es sofort verbessern."

Manche Vertreter der Arbeitnehmer hoffen nun, dass nach dem harten Rationalisierungsdruck unter Rorsted nun möglicherweise ein etwas sanfterer Kurs unter Hans Van Bylen kommt. Richtig ist, dass der neue Chef den Konzern tatsächlich etwas mehr als Familienunternehmen sieht als der eher angelsächsisch geprägte Rorsted. Aber vor harten Schritten schreckte auch Van Bylen in seiner Karriere nicht zurück: So schloss er früher mehr als fünf Fabriken, weil diese nicht die erhofften Ergebnisse brachten.

Andererseits betont Van Bylen sehr, wie wichtig ihm eine gute Firmenkultur ist: "Wenn ich in der Henkel-Kosmetik-Welt unterwegs bin", erzählte er in einem Interview vor einigen Jahren, "dann will ich zum Beispiel vor Ort immer die fünf Top-Talente sehen und mit ihnen reden." Das habe auch Vorbildcharakter für andere Führungskräfte. "Jeder Mitarbeiter merkt, aha, der Hans Van Bylen kümmert sich und legt Wert auf Mitarbeitergespräche, also sollte ich das auch tun."

Das klingt gut, fairerweise muss man hinzufügen: Auch Rorsted führte bei seinen Reisen rund um die Welt auch laufend viele Mitarbeitergespräche. Es gäbe keinen besseren Weg, um gute Leute an Henkel zu binden, sagte er einmal — ihn selbst haben die vielen Gespräche aber nicht gehalten. Rorsted, der seit Herbst 2014 als einziger Chef eines Dax-Konzerns einen Bart trug, wusste: Entweder er wechselt jetzt zu Adidas, oder er wird wohl noch sehr, sehr lange bei Henkel bleiben.

(kowa)
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