Opel-Gipfel ergebnislos vertagt GM düpiert die Bundesregierung

Berlin (RPO). Der Opel-Gipfel im Bundeskanzleramt ist gescheitert. Nach über acht Stunden Verhandlungsmarathon traten Finanzminister Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit fast leeren Händen vor die Presse. Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) konfrontierte die Politik mit neuen Forderungen: 300 Millionen Euro frisches Geld sollen her. Einziges Gipfel-Ergebnis: Opel-Interessent Ripplewood ist aus dem Rennen.

So spielte sich der Opel-Poker im Kanzleramt ab
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Acht Stunden haben die beiden Minister, Bundeskanzlerin Angela Merkel und vier Ministerpräsidenten auf der einen Seite mit Vertretern des US-Finanzministeriums, des US-Autokonzerns General Motors und den möglichen Investoren auf der anderen über die Rettung des deutschen Autobauers verhandelt. Ziel: das Unternehmen zumindest befristet finanziell so abzusichern, dass Zeit für eine langfristige Lösung gewonnen würde.

Doch die Nacht bringt böse Überraschungen mit sich. Die amerikanische Seite löst gleich mehrfach Verärgerung aus. GM fordert überraschend mehr Geld, die US-Regierung hat einen Unterhändler ohne Vollmachten geschickt, der immer wieder mit Washington telefonieren muss, um sich abzusichern, wie das ZDF berichtet.

Zu Guttenberg und Steinbrück zeigen sich empört. Die in der Nacht zum Donnerstag zu Tage getretene zusätzliche Liquiditätsbedarf von 300 Millionen Euro hat sie offenbar kalt erwischt. "Das stellt alles auf eine völlig neue Grundlage", sagt zu Guttenberg. Der geplante Überbrückungsfinanzierung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ist damit auf Eis gelegt. Die möglichen Opel-Investoren Fiat und Magna müssen neu rechnen. Bis Freitag soll auch das US-Schatzamt aufgetretene Fragen beantworten.

Rettung im Leerlauf

300 Millionen Euro will der Bund keinesfalls auch noch übernehmen, wie drei deutschen Unterhändler klar machen. Und dann fehlen auch für den ursprünglich in Aussicht gestellten Kredit aus deutscher Sicht die Sicherheiten durch die US-Regierung. Die Gefahr, dass das Geld der Steuerzahler versickert oder in die USA abfließt, ist Steinbrück zu groß. Oder, wie Guttenberg es ausdrückt: "Wir müssen bei einer Brücke auch das andere Ufer sehen."

Fest steht an diesem Morgen nur: Die Grundlage für das sogenannte Treuhandmodell - die befristete Übernahme von Opel durch einen Treuhänder - fehlt. Und damit auch die Voraussetzung für die Übernahme durch einen Investor. Rettungsaktion im Leerlauf. Die deutschen Politiker lassen keinen Zweifel, bei wem sie die Schuld sehen: beim Opel-Mutterkonzern General Motors und beim US-Finanzministerium.

Guttenberg spricht von einer "teilweise skurrilen Nacht". Das Verhalten der Verantwortlichen bei GM "lasse sehr zu wünschen übrig". Das sind für einen sonst so diplomatisch auftretenden Menschen wie zu Guttenberg nahezu rücksichtlos offene Worte. Steinbrück bleibt für seine Verhältnisse moderat, spricht von "einer gewissen Zumutung". Man sei "unangenehm überrascht" gewesen. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) rügte die "nicht gerade sehr hilfreiche Verhandlungsweise der amerikanischen Seite". Später bezeichnet er das US-Verhalten als "nicht akzeptabel. Die Amerikaner ignorierten die Situation in Europa."

Nicht gerade sehr hilfreichen Verhandlungsweise

Immer wieder hat es im Laufe der Nacht offensichtlichen Leerlauf gegeben. Sergio Marchionne, Chef des sehr an Opel interessierten italienischen Autobauers Fiat, tritt immer wieder zum Rauchen vor das Portal des Kanzleramts. Steinbrück und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier rauchen derweil im Sitzungssaal um die Wette, wie Augenzeugen berichten. Gereicht werden Rotwein und Brötchen, nur Guttenberg hält sich mit Cola über Wasser.

Erst in den letzten zwei Stunden der endlos langen Nachtsitzung habe sich der Vertreter des US-Finanzministeriums bewegt, berichtet Koch später. Das Treasury Department hätte "noch etwas mehr Mühe auf die Auswahl ihrer Vertreter" verwenden können, findet zu Guttenberg. Immerhin habe man dann über Videokonferenz auch direkt mit Washington in Verbindung gestanden. "Allerdings ist hier in unseren Augen durchaus Verbesserungsmöglichkeit gegeben", sagte Guttenberg.

Schon am morgigen Freitag könnte es dafür die nächste Chance geben - es droht die Neuauflage des Verhandlungsmarathons. Die beiden verbliebenen Investoren - das US-Unternehmen Ripplewood wurde nach Steinbrücks Worten im Lauf der Nacht mangels Erfolgschancen "abgewählt" - sollen zusammen mit der US-Regierung und General Motors in etwas mehr als 24 Stunden ein tragfähiges Konzept ausarbeiten.

Minister optimistisch

Obwohl dies nach dem nun monatelangen Vorlauf fast verwegen klingt, geben sich vor allem Steinbrück und Koch durchaus optimistisch. Der hessische Ministerpräsident verweist auf die konstruktive Mitarbeit der Interessenten, die das endlose Prozedere scheinbar klaglos ertragen. "Die Bieter sind sehr daran interessiert, eine solche Vereinbarung abzuschließen", sagt Koch.

Um doch noch zu einer Lösung zu kommen, werden nun offenbar der Autozulieferer Magna und der Fiat-Konzern favorisiert. Von beiden erwarte man bis Freitag Nachbesserungen an ihren Konzepten für einen Einstieg bei Opel. "Das ist die Deadline", betonte Guttenberg. Der US-Investor Ripplewood sei aus dem Rennen und vom chinesischen Autohersteller BAIC gebe es bislang erst eine zweiseitige Absichtserklärung.

Magna-Eigentümer Frank Stronach warb bereits nach dem Treffen weiter für sein Konzept. "Wir sehen eine große Zukunft für Opel. Wir können Opel zu einer Welt-Automarke machen", sagte er. Als Problem in der Autoindustrie kritisierte Stronach veraltete Strukturen und Kulturen in der Branche. So müsse es deutlich stärkere Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen geben. "Die Arbeiter sind für uns das Wichtigste", erläuterte er. So sollten nach einer Übernahme Opels durch Magna zehn Prozent der Opel-Anteile von den Beschäftigten gehalten werden und zehn Prozent des Profits den Beschäftigten zu Gute kommen.

(DDP)
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