G20-Paket Aus für Steuertricks und Briefkastenfirmen

Lima · Globale Konzerne schieben Gewinne und Kosten über Ländergrenzen hin und her. Über legale Schlupflöcher senken sie ihre Steuerlast um Milliarden, der Fiskus geht leer aus. Damit soll nun Schluss sein.

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"Das ist das Aus für Steuertricks und Briefkastenfirmen", feiern die G20 und die OECD ihren Aktionsplan gegen Gewinnverschiebungen globaler Konzerne. Die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollten das Paket am Donnerstagabend in der peruanischen Hauptstadt Lima verabschieden. Doch es gibt auch warnende Stimmen.

Worum geht es im Kampf gegen "aggressive Steuergestaltung"?

Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks erzielen zwar hohe Gewinne, zahlen aber dank legaler Tricks und komplizierter Konstrukte wenig oder gar keine Ertragssteuern. Sie verschieben Gewinne und Aktivitäten zwischen Hochsteuer- und Niedrigsteuerländern hin und her - auch unter Ausnutzung international nicht abgestimmter Regeln und Schlupflöcher. Verlagert werden Patente, Markenrechte, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen in Tochterfirmen in Steueroasen und Niedrigsteuerländer. Das drückt den zu versteuernden Gewinn. Geschätzt wird, dass den Staaten pro Jahr weltweit zwischen 100 und 240 Milliarden US-Dollar verloren gehen.

Wie geht das mit der Selbstanzeige?
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Wie sollen die Schlupflöcher gestopft werden?

Vor einem Jahr legte die OECD die ersten sieben Maßnahmen für den Aktionsplan (BEPS/"Base Erosion and Profit Shifting") vor, der Rest folgt jetzt. Es gehe nicht um eine Neuaufteilung eines größer werdenden Steuerkuchens unter Ländern, sondern das Ende der "Nicht-Besteuerung", heißt es. Im Kern soll vermieden werden, dass Firmen nach allerlei Transaktionen am Ende in keinem der beteiligten Länder besteuert werden. Sie sollen künftig dort an den Fiskus zahlen, wo sie Produkte fertigen und Patente entwickeln - und nicht dort, wo Briefkastenfirmen unterhalten werden. Betroffene Länder erhalten einen Überblick über die Aufteilung von Erträgen und Steuern global agierender Konzerne.

Geht es nur um Internet-Riesen und ihre Geschäftsmodelle?

Nein. Gelöst werden soll auch das Problem der "doppelten Nichtbesteuerung". Das passiert, wenn zwei Länder die Rechtsform eines Unternehmen und die Transfers unterschiedlich einstufen, so dass Zahlungsströme gar nicht mehr besteuert werden. Tochterfirmen machen Zahlungen an ihre Zentrale im Ausland als Zinsen steuermindernd geltend, die Konzernmutter aber streicht das Geld als steuerfreie Dividende ein. Konzerne sollen sich auch nicht mehr arm rechnen können, indem Mutter und Töchter völlig überhöhte Preise für interne Leistungen verrechnen.

Der Unterschied zwischen Steuertrick und Steuerbetrug
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Locken Länder auch künftig mit Anreizen, droht neuer Steuerwettlauf?

Davon ist auszugehen. Bei Absprachen einzelner Länder für Konzerne - den "Tax Rulings" - soll es aber mehr Transparenz geben. Auch die EU-Kommission wurde aktiv, nachdem bekanntgeworden war, dass Luxemburg Konzerne mit Steuerzusagen ins Land gelockt und ihnen Steuern erspart hatte - die "Luxleaks"-Affäre. "Lizenz-" oder "Patent-Boxen" sind ebenfalls Lockmittel. So besteuern Länder Einkünfte aus Lizenzen oder Patente minimal, ohne dass dort tatsächlich geforscht und entwickelt wird. Künftig soll ein solcher Rabatt nur noch gewährt werden, wenn dort auch wirklich geforscht wird.

Leistet das nicht Abwanderungen Vorschub, wo könnte es haken?

Die Gefahr besteht. Zwar dürfte auch Deutschland eine "Patentbox" als Steuerbegünstigung einführen, um Forschung anzukurbeln und Aktivitäten zu halten. Andere Länder könnten den Bonus aber noch unterbieten. Es drohen aber auch rechtliche Probleme: Es gibt schon erste Gerichtsurteile, wonach der Datenaustausch unter Ländern ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis sei und daher vorerst untersagt werde. Auch ist nicht ausgemacht, dass der deutsche Fiskus durch den Aktionsplan mehr einnimmt.

Welche Bedenken gibt es noch?

Der Industrieverband BDI kritisierte, die Vorschläge enthielten für deutsche Unternehmen mehr Risiken als Chancen. Auch aus der Union kommen Warnungen gegen Wettbewerbsnachteile für die deutsche Exportindustrie. Alle beteiligten Staaten müssten die Ergebnisse auch umsetzen, heißt es vor allem mit Blick auf die USA. Denn im US-Kongress gibt es beachtliche Bedenken. Befürchtet werden auch mehr Streitigkeiten zwischen Firmen und Ländern.

Wie verbindlich ist der BEPS-Aktionsplan überhaupt?

Es ist kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag. Teils handelt es sich um Empfehlungen. Zunächst einmal haben das "nur" Regierungen vereinbart. Jetzt müssen die Parlamente Gesetze beschließen, und die Maßnahmen müssen auch umgesetzt werden. 4 der 15 Aktionen - quasi Mindeststandards - sollen auf alle Fälle umgesetzt werden. Die G20 planen eine Überwachung, "schwarze Listen" und einen "Pranger" wird es wohl nicht geben.

(dpa)
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