Interview mit Sicherheitsdienstleister Friedrich Kötter "Es wird zu wenig in Sicherheit investiert"

Düsseldorf · Die Sicherheitsbranche boomt. Friedrich Kötter ist Chef des gleichnamigen Sicherheitsdienstleisters. Er erklärt sich den Aufwind nicht nur mit der Sorge vor Anschlägen, sondern vor allem mit der Flüchtlingskrise. Im Interview plädiert er für höhere Investitionen.

 Friedrich Kötter, Chef des gleichnamigen Sicherheitsdienstleisters, im Interview.

Friedrich Kötter, Chef des gleichnamigen Sicherheitsdienstleisters, im Interview.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Der Bundesinnenminister hat auf die Frage nach den Hintergründen für den Terrorverdacht in Hannover gesagt: "Teile dieser Antwort würden die Bevölkerung verunsichern." Wie verunsichert müssen wir sein?

Kötter Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Aber es ist richtig, dass sich durch den islamistischen Terrorismus die Bedrohungslage in Europa und auch in Deutschland geändert hat.

Schlägt sich das gestiegene Sicherheitsbedürfnis der Deutschen in Ihren Zahlen nieder?

Kötter Natürlich. Die Branche erlebt mit über 15 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro das stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Die Zahlen erklären sich aber nicht nur durch die Sorge vor Anschlägen, sondern vor allem durch die Flüchtlingskrise.

Zuletzt sind zahlreiche kleine Anbieter auf dem Markt hinzugekommen - auch unseriöse Anbieter. Sind klarere Regeln für die Branche nötig?

Kötter Ganz dringend. Ein Unternehmer muss heute 80 Stunden bei der IHK absitzen, dann geht er mit dem Führungszeugnis zum Ordnungsamt, legt 1500 Euro auf den Tisch und ist Sicherheitsunternehmer. Potenzielle Mitarbeiter benötigen ein Führungszeugnis, müssen 40 Stunden bei der IHK absolvieren und werden beim Ordnungsamt angemeldet. Wegen solch laxer Regeln ist die Zahl der Sicherheitsunternehmen zuletzt erneut rasant gestiegen: in den vergangenen Jahren um rund 1000 auf 5000 mit 240.000 Beschäftigten, inklusive Detekteien.

Wie sollte der Zugang zum Markt geregelt werden?

Kötter 40 Stunden für die Zugangsqualifikation reichen nicht aus. Hier soll es voraussichtlich künftig zu höheren Anforderungen kommen, die zurzeit in der Politik diskutiert und unter Umständen vom deutschen Bundestag verabschiedet werden. Dabei würden wir uns zusätzlich eine generelle Prüfung wünschen, in der sicherheitsrelevantes, rechtliches Wissen abgefragt wird. Außerdem benötigen wir eine strengere Überprüfung der Mitarbeiter. Denn derzeit wird ein Beschäftigter nur einmal in seinem Leben überprüft.

Und die soll wie aussehen?

Kötter Der Gesetzgeber plant für die Zukunft voraussichtlich eine Überprüfung alle drei Jahre. Aus unserer Sicht könnte der Turnus noch häufiger sein und die Überprüfung gerne auch durch den Verfassungsschutz erfolgen.

Sind Flüchtlinge für Sie als potenzielle Beschäftigte interessant?

Kötter Auf jeden Fall. Voraussetzung ist, dass sie entsprechende Deutschkenntnisse mitbringen und eine Überprüfung möglich ist. Wir haben jetzt damit begonnen, eine Handvoll an unserer Akademie in Hamburg auszubilden. Wenn das gut läuft, intensivieren wir das. Wir können von diesen Menschen stark profitieren.

Die Einbruchzahlen steigen Jahr für Jahr. Auch das müsste Ihr Geschäft beflügeln.

Kötter Ja, da merken wir einen leichten Anstieg. Allerdings ist der Markt hierzulande immer noch unterentwickelt. Die Deutschen investieren zu wenig in ihre Sicherheit und verlassen sich zu sehr auf den Staat. Zudem versichern sie lieber ihr Mobiliar, als präventiv ihr Eigentum mit Technik zu schützen.

Könnte am Preis liegen.

Kötter Das sind überschaubare Investitionen. Eine einfache Alarmierungsanlage zur Sicherung der Wohnung mit Bewegungsmeldern und Einbruchschutz bekommen Sie schon für 2000 Euro. Wer sich zusätzlich noch auf unsere Leitstelle aufschalten lässt, zahlt dann noch maximal 50 Euro im Monat, inklusive Alarmverfolgung. Auch die Versicherer sollten angesichts einer Schadensumme wegen Einbrüchen von mehr als 500 Millionen Euro im vergangenen Jahr für Anreize sorgen.

Ende des Jahres stehen die nächsten Tarifverhandlungen für NRW an. Rüsten Sie sich schon für die anstehenden Streiks an den Flughäfen?

Kötter Eine Forderung von Verdi liegt uns noch nicht vor. Aber in jedem Fall wünsche ich mir, dass wir es diesmal am Verhandlungstisch hinbekommen. Unsere Hände sind ausgestreckt.

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Nachdem Sie sowohl die Passagierkontrollen in Köln als auch die in Düsseldorf übernommen haben, kam es wiederholt zu Engpässen und langen Schlangen. Woran liegt's?

Kötter In Düsseldorf gibt es dieses Problem nicht. In Köln haben wir eine ganz andere Ausgangssituation. Diese ergibt sich aus dem enormen Wachstum der Passagierzahlen. Im Januar/Februar 2016 stieg das Aufkommen um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr, von Januar bis Mai waren es plus 21 Prozent, bis Juli immer noch rund 19 Prozent. Diese Steigerungen zeigen sich zusätzlich meist nur in den Spitzen, die Sie nicht mal eben so mit zusätzlichen Mitarbeitern abfangen können. Personalkapazitäten sind nicht wie Strom, den man beliebig an- und ausknipsen kann. Kein Sicherheitsunternehmen hat sprichwörtlich Mitarbeiter auf der Stange sitzen, also Beschäftigte in Reserve, die kurzfristig zum Einsatz kommen können. Außerdem geht es um das elementare Thema Sicherheit. Sie benötigen vier bis fünf Monate, um die Kräfte u. a. behördlich zu überprüfen und auszubilden. Das geht nicht von jetzt auf gleich. Zumal sich die Überprüfungszeiträume der Behörden, zum Beispiel bedingt durch die Flüchtlingssituation, erheblich verlängert hatten.

Das heißt, es wird auch künftig zu Engpässen kommen?

Kötter Nein, das muss es nicht automatisch heißen. Dies wird zum einen von der Entwicklung der Passagierzahlen beeinflusst. Zum anderen gibt es einen Round Table beim Flughafen, also Gespräche mit allen Beteiligten, von den Airlines über die Flughafenbetreiber und die Bundespolizei bis zu uns als Sicherheitsdienstleister, wie wir die Abläufe verbessern können, vom Check-in bis zu den Sicherheitskontrollen. Aber auch für die Fluggäste gilt: Wer zu Beginn der Ferien an den Flughafen kommt, der muss auch mal etwas mehr Wartezeit einplanen. Dies ist an allen Airports so und auf den Autobahnen genauso.

MICHAEL BRÖCKER UND MAXIMILIAN PLÜCK STELLTEN DIE FRAGEN.

(RP)
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