Forderung von elf Verbänden Steuerzahler sollen Energiewende finanzieren

Berlin · Eine ungewöhnliche Allianz aus Wirtschaftsverbänden, Verbraucherschützern und Gewerkschaftsbund fordert eine Reform der Ökostromumlage. Anstatt Stromkunden immer weiter zu belasten, sollen nun die Steuerzahler aufkommen.

 Metallkabel einer Starkstromleitung in Thüringen (Symbolfoto).

Metallkabel einer Starkstromleitung in Thüringen (Symbolfoto).

Foto: dpa, msc lre hpl lof

Energiepolitik ist einer der Hauptstreitpunkte bei den Jamaika-Verhandlungen. Kein Wunder, hier geht es neben ideologischen Fragen auch um viel Geld. Geld, das bislang die Stromkunden, Verbraucher wie Unternehmen, bezahlen - 25 Milliarden Euro pro Jahr. Nun hat sich eine ungewöhnliche Allianz von elf Verbänden zusammengefunden, die einen Neustart der Finanzierung fordern.

Zu ihnen gehören der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Verband der chemischen Industrie und der Handelsverband Deutschland ebenso wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Deutsche Mieterbund. "Wir halten es für richtig und dringend notwendig, zumindest Teile der Kosten für die Energiewende aus dem Bundeshaushalt zu bestreiten", heißt es in dem Appell, den die Verbände soeben an die Chefs der Jamaika-Parteien gesendet haben und der unserer Redaktion vorliegt.

Verbände halten Finanzierung für unsozial und Standort-gefährdend

Ausdrücklich begrüßen sie die Energiewende: "Die Unterzeichner bekennen sich zum Klimaschutz, zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Verbesserung der Energieeffizienz." Jedoch halten sie die Finanzierung der Energiewende für unsozial und Standort-gefährdend. "Die steigenden Stromkosten werden bei Privathaushalten mit geringem Einkommen immer mehr zu einer sozialen Frage. Und Unternehmen, die vielfach nicht entlastet sind, drohen durch immer höhere Kosten und regulatorische Unsicherheit an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren", heißt es im Appell.

Der Ausbau des Ökostroms wird mit der EEG-Umlage finanziert, die auf den Strompreis aufgeschlagen wird. Fiel sie anfangs noch bescheiden aus, ist sie zuletzt auf 6,88 Cent je Kilowattstunde gestiegen. Damit macht sie ein Fünftel des Strompreises aus.

Sie funktioniert so: Wer eine Solaranlage oder ein Windrad betreibt, speist den Strom ins Netz ein und erhält dafür eine im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Vergütung. Da die Börsenpreise, zu dem der grüne Strom weiter verkauft wird, weit unter der festen Vergütung liegt, muss die Umlage die Lücke füllen.

Alle privaten Haushalte müssen sie zahlen - auch einkommensschwache und Hartz-Bezieher. "Die steigenden Stromkosten werden bei Privathaushalten mit geringem Einkommen immer mehr zu einer sozialen Frage", heißt es im Appell. "Die privaten Haushalte verbrauchen 25 Prozent des Stroms, müssen aber 36 Prozent der EEG-Umlage stemmen", kritisiert Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentralen.

"Die deutschen Energiekosten sind ein Standortnachteil"

Ebenso müssen die meisten Firmen zahlen, nur wenige (energieintensive) sind ganz oder teilweise befreit. "Unternehmen drohen durch immer höhere Kosten und regulatorische Unsicherheit an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren", heißt es im Appell. Von den 1700 Chemiebetrieben etwa zahlen die meisten die Umlage, knapp 100 sind weitgehend befreit. "Es wird kein Chemiewerk wegen der Energiepreise schließen, aber es wird auch kein neues gebaut werden", sagt Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands und Mitunterzeichner. "Die deutschen Energiekosten sind ein Standortnachteil. Das sieht man auch daran, dass seit 2012 die Auslandsinvestitionen der Chemie höher sind als die Inlandsinvestitionen."

Den Unterzeichnern sei klar, dass man die 25 Milliarden nicht einfach dem Bundeshaushalt aufladen kann, so Tillmann. "Es ist aber dringend notwendig, die Stromkunden wenigstens teilweise zu entlasten." Hierzu gibt es verschiedene Wege und Ideen der Unterzeichner. "Die Chemieindustrie regt an, dass künftige Kosten der Energiewende vom Bundeshaushalt übernommen werden", so Tillmann. Das begrüßen auch Verbraucherzentralen und Handel, obgleich sie sich alternativ eine Senkung der Stromsteuer oder Belastung des Eigenverbrauch der Industrie (was der Chemie nicht gefallen würde) vorstellen können.

Gemeinsam verfolgen die Unterzeichner ohnehin ein Ziel: eine Finanzreform bei der neuen Regierung durchzusetzen. "Ideen dazu liegen auf dem Tisch, die Debatte um die besten Vorschläge sollte jetzt geführt werden", heißt es im Appell.

(anh)
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