Interview mit DocMorris-Chef Olaf Heinrich "Die Patienten haben das Nachsehen"

Düsseldorf · Der DocMorris-Chef Olaf Heinrich kritisiert im Gespräch mit unserer Redaktion die Pläne von Gesundheitsminister Gröhe, den Internet-Versand von Arzneien zu untersagen.

 Olaf Heinrich, Chef von DocMorris, kritisiert die Pläne von Gesundheitsminister Gröhe.

Olaf Heinrich, Chef von DocMorris, kritisiert die Pläne von Gesundheitsminister Gröhe.

Foto: docmorris

Das überraschende Urteil des Europäischen Gerichtshofs, die Preisbindung für Medikamente im grenzüberschreitenden Online-Handel aufzuheben, hat die Politik auf den Plan gerufen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will den Apotheken-Versandhandel ganz verbieten. Das empört Online-Händler wie die Internet-Apotheke DocMorris und deren Chef Olaf Heinrich.

Gesundheitsminister Gröhe will die Online-Lieferung von rezeptpflichtigen Medikamenten untersagen, weil nur stationäre Apotheken die wohnortnahe Versorgung gewährleisten. Stellen Sie eine Gefahr für die Versorgungssicherheit dar?

Heinrich Ich hätte mir gewünscht, dass sich Minister Gröhe darüber freut, dass mit dem Ende der Preisbindung für Medikamente auf Rezept der Kumpel im Ruhrgebiet und die Rentnerin in der Eifel entlastet werden. Nun aber werden die wirtschaftlichen Interessen von 20.000 Apothekern höher bewertet als die Entlastung von Millionen von Verbrauchern und Patienten, besonders für einkommensschwache und chronisch kranke Menschen.

Sie betreiben Rosinenpickerei, lautet der Vorwurf. Das gefährdet die Apotheken auf dem Land, die eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen.

Heinrich Versorgungssicherheit ist ein sehr hohes Gut. Genau das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil zur Aufhebung der Preisbindung genau untersucht. Die Apothekerverbände haben aber keinen Nachweis erbracht, dass die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Im Gegenteil. Durch das Zusatzangebot Versandhandel wird diese sogar noch gestärkt.

Im Urteil steht aber auch, dass es bei der Aufhebung der Preisbindung auf dem Land zu höheren Arzneimittelpreisen kommen könnte. Ist das die von Ihnen angesprochene Entlastung?

Heinrich Flexible Preise sind besser für die Versorgung auf dem Land. Denn wir wollen zugleich auch ein verbindliches Höchstpreissystem. Dann muss der Patient nicht höhere Preise befürchten, und die Wettbewerber konkurrieren um den günstigsten Arzneimittelpreis für die Kranken. In dieser Position unterstützt uns auch der Sachverständigenrat bei der Bundesregierung.

Wie hoch wären denn die Kosten für die Patienten bei einem Verbot?

Heinrich Wenn jede Apotheke einen Bonus von zwei Euro pro Medikamentenpackung abgeben würde, könnten die Patienten 1,5 Milliarden Euro sparen. Auf diese Summe müssten die Versicherten verzichten, wenn der Versandhandel tatsächlich verboten würde.

Das Urteil des EuGHs diskriminiert die Inländer, weil es nur den ausländischen Online-Händlern flexible Preise erlaubt. Ist das fair gegenüber den Apotheken, für die weiter die Preisbindung gilt?

Heinrich Die Apotheken in Deutschland sind doppelt geschützt. Es gibt das Mehr- und Fremdbesitzverbot und den Preisschutz. Diesen doppelten Nachteil hat der EuGH jetzt wenigstens bei der Preisbindung aufgehoben.

Der Preis ist der wichtigste Wettbewerbsfaktor. Und Sie können jetzt die Apotheken unterbieten.

Heinrich Deshalb fordern wir ja Höchstpreise für alle. Und jeder, der weniger verlangt, kann dies seinen Kunden anbieten. Eine bessere Lösung für die Versorgung in der Fläche gibt es nicht. Wir erreichen also eine große Flexibilität bei den Preisen, ohne dass irgendein Patient Nachteile befürchten muss.

Wie wollen Sie auf den Vorstoß von Minister Gröhe reagieren?

Heinrich Wir halten die Pläne, den Online-Handel mit Medikamenten zu verbieten, für verfassungswidrig. Entsprechende Vorhaben sind bereits 2008 und 2012 an dieser Frage gescheitert. Und ich erkenne nicht, dass sich an der verfassungsrechtlichen Situation etwas geändert hat. Jetzt gibt uns zusätzlich auch der EuGH recht, wenn wir Patienten bei Medikamenten preislich entlasten. Ein Verbot hätte also auch europarechtliche Konsequenzen.

Sie vertrauen darauf, dass nichts kommt?

Heinrich Nein, wir werden schon früher aktiv. Die Forderung ist ja nicht überraschend, auch wenn sie ordnungspolitisch falsch ist und Millionen von Versicherten bevormundet.

Im Gegensatz zu früheren Forderungen setzt sich jetzt Gesundheitsminister Gröhe an die Spitze der Bewegung. Das Verbots-Gesetz könnte diesmal kommen. Was wollen Sie jetzt konkret tun?

Heinrich Wir sind jederzeit bereit, Herrn Minister Gröhe unsere Argumente auch im persönlichen Gespräch vorzutragen. So können beispielsweise die Pläne der Bundesregierung aus 2006 zu einer Preisobergrenze erneut diskutiert werden. Bislang sind aber weder EU-ausländische Versandapotheken noch deren Verbandsvertreter in dieser Sache gehört worden.

Martin Kessler führte das Gespräch.

(kes)
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