Zweiter Frühling dank Donald Trump Die Renaissance der US-Zeitungen

Washington · "Die Verlegerin" spielt in den besten Jahren, die Amerikas Zeitungen erlebten. Heute beflügelt der Trump-Effekt den Journalismus.

 om Hanks und Meryl Streep in einer Szene des Films "Die Verlegerin".

om Hanks und Meryl Streep in einer Szene des Films "Die Verlegerin".

Foto: dpa, wie

Nur mal angenommen, Donald Trump würde Meryl Streep, Tom Hanks und Steven Spielberg in seine Residenz einladen, um im hauseigenen Kino gemeinsam den Film "The Post" anzuschauen. Völlig abwegig ist der Gedanke nicht, Filmeschauen mit Hollywood-Prominenz gehört schließlich zu den Traditionen des Weißen Hauses.

Für den Fall also, dass ihn der Präsident zum Kinoabend bittet, hat Hanks schon mal laut nachgedacht. Er habe sich einst nicht vorstellen können, in einem Land zu leben, in dem Neonazis mit brennenden Fackeln durch die Straßen einer Stadt wie Charlottesville ziehen, sagte er dem "Hollywood Reporter". Deshalb müsse man eigentlich schon vor der nächsten Wahl ein Votum abgeben. Sollte Trump ihn einladen, würde er wahrscheinlich absagen.

Was der Schauspieler in dem Interview noch zu sagen hatte, bringt prägnant auf den Punkt, warum "The Post" (als "Die Verlegerin" ab heute in den deutschen Kinos) kein reiner Historienfilm ist. Als Richard Nixon versuchte, die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere zu verhindern, jener Geheimpapiere, die zeigten, wie amerikanische Strategen wirklich über den aus ihrer Sicht nicht zu gewinnenden Krieg in Vietnam dachten, habe er der Presse massiv gedroht.

"Und heute", so Hanks, "sind Leute an der Macht, die das Recht aufs Publizieren zwar nicht zermalmen, es aber bis zu einem Punkt verächtlich machen, an dem sie sagen, es gibt überhaupt keine Wahrheit." Es ist nicht die einzige Parallele, die sich ziehen lässt. Die zweite ist die: Angesichts eines Präsidenten, der die Pressefreiheit relativiert, erleben Amerikas größte Zeitungen ihren zweiten Frühling, ansatzweise vergleichbar mit der Blüte der Siebziger und Achtziger.

Befeuert durch den Trump-Effekt, feiern "New York Times" und "Washington Post" einen Aufschwung, wie man ihn noch vor drei, vier Jahren kaum für möglich gehalten hatte. Insbesondere die "Post" hat sich von einer vorübergehenden Durststrecke erholt. Statt in die Zweitklassigkeit abzurutschen, ist sie der "Times" wieder eine ebenbürtige Rivalin.

1971 war es die Causa Pentagon Papers, die das publizistische Profil der "Post" schärfte, noch bevor ihre Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward die Watergate-Affäre aufrollten. Ben Bradlee, der ehrgeizige Chefredakteur, sah darin die Gelegenheit, endlich in einer Liga mit der beneideten, bewunderten Konkurrentin aus Manhattan zu spielen. Katharine Graham, die Verlegerin, durch den frühen Tod ihres Mannes unverhofft ins Berufsleben gewirbelt, widerstand Nixons Druck. Als die Regierung die Pentagon-Papers-Serie der "Times" stoppte, sprang die "Post" in die Bresche. Beim Kapitel Watergate hatte sie dann die Nase sogar vorn.

Es erinnert ein bisschen an damals, in welchem Tempo "Times" und "Post" unter den Teppichen des Weißen Hauses hervorkehren, was nach Trumps Willen vertraulich bleiben sollte. Nur, dass beide ihre Scoops heute schon abends online stellen, inzwischen geschützt durch eine Bezahlschranke, statt bis zum Erscheinen der Printausgabe am nächsten Morgen zu warten. Die wiederbelebte Konkurrenz hat zweifellos zur Entschiedenheit beigetragen, mit der die vierte Gewalt dem Oval Office Paroli bietet. Dass ein Unternehmer mit tiefen Taschen beschloss, sich eine Zeitung zu leisten, hat ebenfalls einen Anteil daran.

Als Jeff Bezos die "Post" 2013 für 250 Millionen Dollar erwarb, war es im ebenso legendären wie hässlichen Redaktionsgebäude an der 15th Street im Zentrum Washingtons schon eine Weile bergab gegangen. Was nichts änderte an der Skepsis, die dem König des Online-Handels entgegenschlug.

Ob der Mann nur ein Sprachrohr für sein Amazon-Imperium brauche, lautete eine typische Frage. Dann aber, resümiert Dan Kennedy, Journalismus-Professor an der Northeastern University in Boston, nahm Bezos seinen Kritikern den Wind aus den Segeln, indem er "zum Scheckbuch griff", zusätzliche Reporter einstellte und massiv in den Online-Auftritt investierte.

Das Ergebnis gibt ihm Recht. Während die Werbeeinnahmen nach wie vor sinken, steigt die Zahl der Digitalabonnenten steil an: Seit der Wahl im November 2016 hat sie sich auf über eine Million verdoppelt. Ein Geschäftsmodell, bei dem die "Post" auf Werbeerlöse weitgehend verzichtet und davon leben kann, was ihre Leser zahlen, scheint damit keine Illusion mehr. Bezos, doziert Kennedy, habe eines begriffen: Dass eine Zeitung nur über Qualität im Geschäft bleibt, "weil ihre Kunden für weniger nicht mehr Geld ausgeben werden".

(RP)
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