Stahlriese in der Misere Die Baustellen von Thyssenkrupp

Essen · Der Aktienkurs ist weiter niedrig, das Eigenkapital ist bescheiden, das aktuelle Geschäftsjahr wird wohl mit roten Zahlen abgeschlossen. Sechs Jahre nach Amtsantritt hat Vorstandschef Heinrich Hiesinger noch sehr viel zu tun.

 Die Zentrale von Thyssenkrupp in Essen. (Archiv)

Die Zentrale von Thyssenkrupp in Essen. (Archiv)

Foto: dpa, rwe lof wst

Zumindest die Börsianer waren gestern etwas zufrieden: Um knapp zwei Prozent sprang die Aktie des Dax-Konzerns Thyssenkrupp in die Höhe, weil der Vorstand ein neues Sparprogramm bestätigt hatte. In den kommenden drei Jahren sollen bis zu 2500 der 18.000 Verwaltungsstellen im Personalbereich, dem Abrechnungswesen oder auch im Management wegfallen. Das soll insgesamt bis zu 400 Millionen Euro in die Kasse bringen.

Kürzung um eine halbe Milliarde Euro

Dabei reiht sich das Programm in eine Reihe weiterer Projekte ein. Die Anlagen- und Werftensparte "Industrial Solutions" soll rund 250 Millionen Euro einsparen - natürlich fallen Jobs weg. Die Stahlsparte soll bis 2020 rund eine halbe Milliarde Euro kürzen - das kann bis zu 4000 Stellen kosten, auch weil noch völlig unklar ist, welche Folgen eine Fusion mit dem europäischen Ableger des indischen Konzerns Tata Steel hätte. Entsprechend nervös sind die Arbeitnehmer. Günter Back, Betriebsratschef der Stahl-sparte, meint zu den wegfallenden 2500 Bürojobs, davon 400 bis 600 im Stahl: "Das dürfte noch nicht die ganze Wahrheit sein. Der Vorstand gibt nur scheibchenweise preis, was er wirklich vorhat."

Unklar ist dabei auch, ob und wie vielen Mitarbeitern möglicherweise der Rauswurf droht. Betriebsbedingte Kündigungen sollen nach Möglichkeit vermieden werden, erklärt das Unternehmen. Vorher sollten alle Instrumente der Personalplanung ausgeschöpft werden. Zumindest in der Stahlsparte sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2021 ausgeschlossen - entsprechend hohe Abfindungen sind also dort fällig.

Noch immer tief in der Misere

Das entscheidende Problem ist aber, dass Thyssenkrupp auch sechs Jahre nach Amtsantritt von Vorstandschef Heinrich Hiesinger noch immer tief in der Misere steckt. Das am 30. September endende Geschäftsjahr wird mit roten Zahlen abgeschlossen werden - Hauptgrund ist eine Abschreibung von 900 Millionen Euro auf die mittlerweile verkaufte Stahlhütte in Brasilien.

Das Eigenkapital beträgt nur noch 2,3 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote von 6,5 Prozent ist deutlich niedriger als bei den meisten anderen Dax-Konzernen. Als operativen Gewinn (Ebit) will Hiesinger mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr erwirtschaften - dieses Geschäftsjahr kommen wohl nur 1,8 Milliarden Euro zusammen. "Thyssenkrupp muss insgesamt noch deutlich profitabler werden", sagt dazu Konzernexperte Christian Obst von der Baader Bank. "Das Unternehmen muss die Kosten weiter senken, um Gelder für neue Investitionen mobilisieren zu können."

Stahlsparte verliert

Eine interne Vorstandspräsentation im Mai, die unserer Redaktion vorliegt, zeigt, wie das Management die Lage einschätzt. So erwirtschaftete die Aufzugsparte im Vergleich zu den Wettbewerbern Otis und Kone eine deutlich niedrigere Rendite und lag zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres um 3,5 Prozentpunkte unterhalb der internen Zielvorgabe. In der Anlagenbau- und Werftensparte mussten fast fünf Angebote geschrieben werden, um einen Auftrag zu erhalten - dabei führte noch vor Kurzem fast jedes zweite Angebot zum Erfolg.

Auch die Stahlsparte büßte im Vergleich zur Konkurrenz an Profitabilität ein. Hiesinger plant, die Sparte in ein Joint Venture auszugliedern, um den Konzern vom Auf- und Ab der Stahlkonjunktur zu befreien - Betriebsräte und Gewerkschaft sorgen sich um viele Tausend Jobs in dem Traditionsgeschäft, das einst die Wurzel des Ruhrkonzerns war. Die interne Präsentation zeigt: Salzgitter, Voestalpine Stahl sowie Arcelor Mittal stehen in Europa besser da als Thyssenkrupp Steel. Noch weniger profitabel ist nur Tata Steel - jener Konzern, mit dem Thyssenkrupp Steel fusionieren soll.

(RP)
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