Nur zögerliche Ausstattung mit Flüsterbremsen Leise Züge kommen später

Berlin · Die Bahn und ihre privaten Wettbewerber rüsten Güterwaggons nur zögerlich mit Flüsterbremsen aus. Die Koalition droht ihr Ziel zu verfehlen, den Bahnlärm bis 2016 zu halbieren. 120 Abgeordnete rufen die Regierung auf zu handeln.

Zahlen und Fakten zum Schienenland NRW
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Foto: Deutsche Bahn

Die Bundesregierung droht ihr Ziel klar zu verfehlen, den Bahnlärm auf deutschen Schienenwegen bis Ende 2016 um 50 Prozent zu reduzieren. Von den insgesamt knapp 182.000 Güterwagen deutscher Bahnunternehmen sind bis zum 12. März 2015 erst 14 Prozent mit sogenannten Flüsterbremsen ausgestattet worden, wie aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervorgeht.

Ende 2013 waren es erst 9,5 Prozent, heißt es in dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag Ende 2013 das Ziel vorgegeben, den Anteil der umgerüsteten Wagen bis Ende 2016 auf 50 Prozent zu steigern. Seit der Regierungsübernahme konnte der Anteil leiser Güterwagen aber nur um fünf Prozentpunkte erhöht werden.

Zahl der Gütertransporte stark gestiegen

NRW: Die ganze Liste der Bahn-Baustellen 2015
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Foto: dpa, mg htf

Vor allem auf der stark frequentierten Strecke entlang des Rheins leiden Anwohner unter dem Bahnlärm. Die Zahl der Gütertransporte auf Schienen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen und wird auch in Zukunft weiter deutlich zunehmen. Die Deutsche Bahn und ihre privaten Wettbewerber, auf die im Schienengüterverkehr ein Drittel des Marktes entfallen, zögern jedoch mit der Umrüstung der Güterwaggons auf so genannte Verbundstoffsohlen.

"Es wird nicht investiert, weil jeder auf den anderen schielt: Durch die Umrüstung wird der Transport teurer, und die Bahn-Konkurrenten befürchten, dadurch Marktanteile zu verlieren", sagte Willi Pusch von der Bürgerinitiative "Rheintal 21". Daran könne nur die Bundesregierung etwas ändern. Sie müsse die Umrüstung der Waggons gesetzlich vorschreiben und Bahnunternehmen bestrafen, wenn sie sich nicht an die Vorgaben halten. Ähnlich verfahre die Schweiz. Dort dürften Güterwaggons ohne Flüsterbremsen ab 2020 nicht mehr verkehren.

"Die Bundesregierung ist beim Schienenlärmschutz krachend gescheitert", sagte Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel. "In diesem Tempo braucht es noch mehr als zehn Jahre, bis die im Koalitionsvertrag für 2016 gesteckten Ziele erreicht sind." Die Regierung müsse "die Anreizstrukturen zur Verringerung von Schienenlärm schleunigst überarbeiten", sagte Gastel. "Gleichzeitig muss sie den Druck auf die Deutsche Bahn und die anderen Güterwagenhalter erhöhen."

Dreckige und kaputte Bahnhöfe in der Region
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Foto: Dr.-Ing. Heinrich Theissen

Anders als Bahn-Chef Rüdiger Grube hält die Bundesregierung "das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel weiterhin für realistisch", wie aus ihrer Antwort hervorgeht. Eine gesetzliche Lösung wolle man erst "zu gegebener Zeit" vorstellen.

7,4 Millionen Förderung 2014

Der Anteil der gefahrenen "leisen Trassenkilometer" am gesamten Güterverkehr sei von acht Prozent 2013 auf 14 Prozent 2014 gestiegen, heißt es in dem Papier. Seit 2014 versucht die Bundesregierung, den Anteil leiser Waggons durch lärmabhängige Trassenpreise für die Bahnunternehmen zu steigern: Laute Waggons sind etwas teurer als leisere. Unternehmen, die umrüsten, erhalten einen Bonus. Der Umfang der Förderung war 2014 mit 7,4 Millionen Euro aber noch sehr gering.

Im Bundestag hat sich eine fraktionsübergreifende Parlamentariergruppe gegen Bahnlärm formiert. Ihr gehören knapp 120 Abgeordnete an. Sie fordern Sanktionen wie Nachtfahrverbote für laute Züge, sollte bis 2016 nicht die Hälfte der Waggons auf leise Bremsen umgerüstet sein. "Ohne die Androhung von Sanktionen werden wir den Ausbau nicht beschleunigen können", sagt Erwin Rüddel (CDU), einer der Initiatoren der Gruppe.

Verkehrsminister Alexander Dobrinth (CSU) habe ihm zugesagt, dass er noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen wird, "der den Waggonbesitzern auf das Eindeutigste klar macht, dass bis 2020 alle Waggons umgerüstet sein müssen". Die Parlamentarier sehen die Schweiz als "größten Verbündeten". Berlin dürfe nicht zulassen, dass die EU die Schweiz jetzt zwinge, den lauten Güterverkehr erst 2022 zu verbieten.

(mar / rl)
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