Erste Warnstreiks laufen schon Das Tarifjahr 2018 birgt viel Konfliktstoff

Düsseldorf · Die IG Metall geht wieder das Thema Arbeitszeit an. Die Sorge, dass sich daraus ein waschechter Großkonflikt entwickeln könnte, steigt. Doch auch in anderen Branchen dürfte es 2018 hitzig zugehen.

 Mitarbeiter von Porsche während des Warnstreiks vor dem Porsche-Museum in Stuttgart.

Mitarbeiter von Porsche während des Warnstreiks vor dem Porsche-Museum in Stuttgart.

Foto: dpa, scg wie

Einen heißen Jahresauftakt beschert die IG Metall derzeit den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie. Mit Warnstreiks startete die Gewerkschaft ins neue Jahr. Am Donnerstag gingen insgesamt 3100 Beschäftigte bei Porsche in Stuttgart sowie in Brandenburg auf die Straße. Es ist der Auftakt für ein Jahr, das reich sein wird an hitzigen Konflikten. Eine Übersicht:

Metall- und Elektroindustrie Die gerade laufenden Tarifverhandlungen haben das Zeug dazu, in die Geschichte einzugehen. Die IG Metall verlangt nicht nur sechs Prozent mehr Lohn, sondern möchte ihren Mitgliedern auch mehr Freizeit verschaffen: Die Wochenarbeitszeit soll für zwei Jahre vorübergehend von 35 auf 28 Stunden abgesenkt werden können. Für bestimmte Gruppe - pflegende Angehörige, Eltern kleiner Kinder und Arbeitnehmer mit besonders belastenden Arbeitszeiten - soll es einen Entgeltausgleich geben. Die Arbeitgeber haben jüngst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Rechtswidrigkeit der Forderung belegt. Sie sehen darin die Aufweichung des von der Gewerkschaft selbst geforderten Konzepts "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Die Arbeitgeber haben mit einer Forderung nach längeren Arbeitszeiten gekontert.

Ryanair Die Vereinigung Cockpit (VC) will Tarifverträge bei dem Billigflieger durchsetzen. Nachdem ein erster Gesprächstermin Ende 2017 geplatzt war, weil das Management zwei Verhandlungsteilnehmer der VC ablehnte, kam es schon zu einem Warnstreik. Heute sollen die Gespräche in Frankfurt wieder aufgenommen werden - Ergebnis offen.

Öffentlicher Dienst I Während ein Warnstreik in der Metall- und Elektroindustrie für den Otto-Normal-Bürger oft keine direkten Folgen hat, sind Konflikte bei Bund und Kommunen schnell spürbar - etwa wenn die Kita schließt oder der Müll nicht abgeholt wird. Noch befinden sich die Gewerkschaften in der Diskussionsphase. Verdi-Chef Frank Bsirske hat aber bereits im Gespräch mit unserer Redaktion angekündigt, dass der Akzent wohl voraussichtlich auf der Lohnseite liegen werde. "Die gute wirtschaftliche Lage sollte sich dann entsprechend auch im Tarifabschluss widerspiegeln", hatte der Verdi-Chef erklärt. Vieles spricht dafür, dass die Gewerkschaft für die knapp 2,5 Millionen Tarifbeschäftigten mehr verlangt als in der Runde 2016. Damals war Verdi mit sechs Prozent ins Rennen gegangen. Am Ende kam eine zweistufige Erhöhung - zunächst um 2,4 und ein Jahr später um 2,35 Prozent - heraus. Verhandelt wird im Februar in Potsdam.

Bauhauptgewerbe Die Bauindustrie profitiert von der Niedrigzinsphase. Deutschland ist im Baurausch. Nach Einschätzung des Verbands der deutschen Bauindustrie werden bis 2020 jährlich bis zu 400.000 Wohneinheiten hinzukommen. Das gute Geschäft weckt auch bei den Beschäftigten Begehrlichkeiten. Die IG Bau ist mit einer Forderung von sechs Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für die 700.000 Beschäftigten ins Rennen gegangen. Der Tarifvertrag läuft im Februar aus.

Chemische Industrie In der Chemiebranche werden eine Reihe neuer Gesichter das Tarifgeschehen bestimmen. Auf Arbeitgeberseite hat Kai Beckmann als Präsident des BAVC von Margret Suckale die Führung übernommen. Mit welcher Forderung er sich auseinandersetzen muss, wird er im April wissen. Dann wird die IG BCE ihre Empfehlung abgeben. Der neue Tarifvorstand der Gewerkschaft heißt Ralf Sikorski. Beide Seiten halten sich zugute, als Sozialpartner geräuschlos, aber effizient zu verhandeln. Doch Beckmann sagt auch: "Ich bin nicht so naiv, die Schlagkraft der IG BCE zu unterschätzen."

Deutsche Bahn Der Staatskonzern hat seine Pünktlichkeitsziele für das vergangene Jahr verfehlt. Das hat Bahnchef Richard Lutz schon eingeräumt. Auch das Jahr 2018 startete mit Sturm "Burglind" schlecht für die Bahn. Und ihr droht weiteres Ungemach: Die Tarifverträge mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sowie mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer laufen aus. Verhandelt wird für 134.000 Beschäftigte. Der von der Telekom wechselnde neue Personalvorstand Martin Seiler soll die Quadratur des Kreises hinbekommen: inhaltsgleiche Abschlüsse zweier verfeindeter Gewerkschaften, die sich im schlimmsten Fall mit Streiks gegeneinander hochschaukeln könnten. Beide Tarifverträge haben noch eine Laufzeit bis Ende September 2018.

Stahlindustrie Zum Jahresausklang wird es für die Stahlbranche in doppelter Hinsicht spannend. Thyssenkrupp will sein Stahlgeschäft mit Tata Steel Europe verschmelzen. Das Joint Venture soll bis Jahresende unter Dach und Fach sein. Insgesamt 4000 Stellen sollen abgebaut werden, haben beide Unternehmen angekündigt. Das dürfte die Ausgangslage für die Tarifgespräche in der Stahlbranche nicht einfach machen, die aufgrund ihres hohen Organisationsgrades traditionell von der IG Metall als Experimentierfeld für andere Branche genutzt wurde.

Öffentlicher Dienst II Immer ein Jahr zeitversetzt zu den Verhandlungen bei Bund und Kommunen starten die Tarifverhandlungen für die Länder. Der Tarifvertrag läuft Ende des Jahres aus. Auch die Kommunalbeamten werden den Verhandlungsverlauf aufmerksam verfolgen: Ihre Besoldung wird in der Regel analog zum Tarifabschluss für die Landesbediensteten angepasst.

(maxi)
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