Das Oetker-Imperium Das Tütchen von Welt kam aus Bielefeld

Bielefeld · Aus dem kleinen Laden des Bäckersohnes August Oetker ist ein Milliardenimperium geworden, das eineinviertel Jahrhunderte durch den Clan selbst regiert wurde. Jetzt steht erstmals ein familienfremder Manager an der Spitze.

 Dr. Oetker - Logo und Gebäude in Bielefeld.

Dr. Oetker - Logo und Gebäude in Bielefeld.

Foto: dpa, bt wie

Manchmal ist es nicht das Produkt, das zum Verkaufshit wird, sondern die Idee seiner Vermarktung. Als August Oetker 1891 Backpulver in kleinen Tütchen zu je zehn Pfennig verkaufte, war das Triebmittel schon Jahrzehnte alt - erfunden in den USA. Doch erst Oetkers Einfall, die Tütchengröße so zu wählen, dass die Menge genau für ein Pfund Mehl passte, machte das Backpulver zum Massenprodukt. 15 Jahre später verkaufte der Mann aus Bielefeld 50 Millionen Päckchen. Und man kann sich eigentlich niemanden vorstellen, der nicht irgendwann in Muttis Küche stand und ihr beim Backen mit Oetkers Markenpulver zuschaute.

 Die bekanntesten Marken des Oetker-Imperiums.

Die bekanntesten Marken des Oetker-Imperiums.

Foto: Ferl

33.000 Mitarbeiter machen elf Milliarden Euro Umsatz

Eineinviertel Jahrhunderte später ist der Konzern zum Milliardenimperium geworden. Über 33.000 Mitarbeiter haben nach Angaben des Konzerns im vergangenen Jahr mehr als elf Milliarden Euro umgesetzt - mit Backpulver, mit Sekt, Bier und Mineralwasser, mit Kuchen, Pudding und Pizza, mit Bankdienstleistungen, früher auch mit der Container-Schifffahrt, die aber 2016 sieben Prozent an Umsatz verlor und nun für 3,7 Milliarden Euro an den Rivalen Maersk verkauft werden soll.

Selbst wer nie ein Tütchen Backpulver in der Hand hatte, ist in seinem Leben irgendwann und irgendwo auf Dr. Oetker gestoßen. Weil er Sekt aus dem Hause Henkell, Radeberger Pils oder Selters Wasser getrunken, ein Stück Coppenrath & Wiese-Torte gegessen hat, Kunde im Düsseldorfer Bankhaus Lampe ist oder war. Oetker ist ein Mischkonzern, wie er im Buche steht. Mit der Struktur wird man an in Zeiten hochgradiger Spezialisierung als Dinosaurier belächelt, aber es kann das Risiko verringern, wenn man nicht abhängig ist von einer einzigen Branchenkonjunktur.

Der Mann, der diesen Weltkonzern maßgeblich auf den Weg gebracht hat, war Rudolf-August Oetker. Seine Biografie hat aber auch dazu geführt, dass die Firmengruppe 2016 heftig in die Schlagzeilen geriet. Der Enkel des Firmengründers, der 2007 starb, hatte nämlich acht Kinder aus drei Ehen. Daraus entstehende Patchwork-Familienverhältnisse sind von Natur aus anfällig für Streitigkeiten, und wenn es ums Herrschen in einem milliardenschweren Clan geht, wird alles noch viel komplizierter. Sieben Oetkers sind heute noch persönlich haftende Gesellschafter. Sie haben fast acht Jahre lang darüber gestritten, ob ein Familienmitglied oder ein außenstehender Manager das Unternehmen führen sollte. Darüber seien strategische Chancen verpasst worden, heißt es.

Die Familie hat Frieden geschlossen

Mittlerweile ist der ostwestfälische Friede wiederhergestellt. Zumindest scheint es so. An der Spitze der Gruppe steht jetzt der frühere Finanzchef Albert Christmann, der mit dem Milliardengewinn aus dem Reederei-Kauf ein neues Kapitel in Sachen Investitionen aufschlagen will. "Wir sind auf alle Sparten gleich fokussiert", sagte Christmann jüngst, als er die Oetker-Bilanz präsentierte. Das Problem, das der Manager erkannt hat: In der Niedrigzinsphase sind Übernahmekandidaten rar, weil deren Eigentümer auch nicht wissen, wie sie einen Verkaufserlös rentabel anlegen sollen und daher solche Deals scheuen.

Doch Christmann hofft auf die "eine oder andere Chance". Er hat in der operativen Führung den bislang letzten Oetker abgelöst: Richard Oetker, 66, der Mann, der vor mehr als 40 Jahren eines der promimenten Entführungsopfer der deutschen Nachkriegsgeschichte war. Etwa 21 Millionen Mark zahlte sein Vater damals an den Entführer Dieter Zlof, der zwei Jahre später gefasst wurde. Oetker rückte 2010 erst als Endfünfziger an die Spitze. Schon damals tobte der Familienstreit. Nun steht der erste familienfremde Manager an der Spitze. Er muss auch den Generationenkonflikt managen - jenen zwischen älteren und jüngeren (Halb-) Geschwistern, zwischen denen in der Spitze fast 40 Jahre liegen. Und ganz raus aus dem Tagesgeschäft ist die Familie ohnehin nicht. Immerhin führt August Oetker (73) noch den Beirat.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort