Justiz ermittelt weiter gegen Kengeter Deutsche Börse kann ihren Chef nicht freikaufen

Frankfurt/Main · Die Deutsche Börse wird ihr derzeit größtes Problem nicht los: die Insidervorwürfe gegen Konzernchef Carsten Kengeter. Mit einem Millionendeal wollte die Deutsche Börse einen Schlussstrich unter das unrühmliche Kapitel ziehen. Doch daraus wird nichts.

 Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter (Archivbild vom 17.05.2017).

Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter (Archivbild vom 17.05.2017).

Foto: dpa, ade gfh tba

Eine Frankfurter Amtsrichterin machte die Hoffnung in der Eschborner Zentrale des Dax-Konzerns zunichte, dass das seit Februar laufende Ermittlungsverfahren gegen eine Geldauflage eingestellt wird. Damit gehen die Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen eines millionenschweren Aktiengeschäfts in eine neue Runde, wie die Behörde am Dienstag mitteilte.

Einen so großen Fisch wie Kengeter wollte die Justiz dann doch nicht gegen die vergleichsweise geringe Zahlung von 500.000 Euro aus seinem Privatvermögen vom Haken lassen. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung vom Montag nach Angaben der Staatsanwaltschaft mit dem nicht unerheblichen Tatvorwurf und der Position des Beschuldigten. Daher sei eine Einstellung nicht angemessen.

Kengeter hatte Mitte Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro 60.000 Deutsche-Börse-Aktien gekauft, die er nicht vor Ende 2019 veräußern darf. Der Konzern packte in dem speziell für den Manager geschnürten Vergütungsprogramm 69.000 weitere Anteilsscheine drauf. Gut zwei Monate nach dem Aktiendeal machten Deutsche Börse und London Stock Exchange (LSE) ihre - inzwischen gescheiterten - Fusionspläne öffentlich, was die Kurse trieb.

Die Ermittler werfen Kengeter vor, schon im Sommer 2015 mit der LSE-Führung Gespräche über einen Zusammenschluss geführt und das lukrative Geschäft in diesem Wissen getätigt zu haben. Der Deutsche-Börse-Aufsichtsrat bezeichnete die Vorwürfe als haltlos. Kengeter selbst sprach jüngst von einer "moralischen Pflicht", die Aktien zu kaufen: Hätte er das Programm nicht genutzt, wäre ihm das womöglich als Misstrauensvotum ausgelegt worden.

Mitte September wuchs bei der Börse die Hoffnung, dass das Verfahren gegen Kengeter, "gegen Auflagen eingestellt werden wird". Der Konzern erklärte sich als Teil des Deals zudem bereit, zwei Geldbußen in Gesamthöhe von 10,5 Millionen zu zahlen. Dabei ging es um die Rolle des Unternehmens im Zusammenhang mit den Insidervorwürfen sowie den Vorwurf, die Börse habe die Finanzmärkte zu spät über ihre Fusionsgespräche mit der LSE informiert.

Das Unternehmen teile die erhobenen Vorwürfe nach wie vor nicht, bekräftigte der Dax-Konzern seinerzeit. Vorstand und Aufsichtsrat wollten aber sicherstellen, dass sich die Deutsche Börse "schnellstmöglich wieder ausschließlich auf das Geschäft konzentrieren und die schwerwiegenden Belastungen durch das Ermittlungsverfahren hinter sich lassen" könne.

Daraus wird nun vorerst nichts. "Die vorläufige Einstellung ist komplett vom Tisch", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Dienstag. Das betreffe auch die beiden Geldbußen in Gesamthöhe von 10,5 Millionen Euro. "Die Ermittlungen werden jetzt fortgeführt." Denkbar sei, weitere Beweismittel bei der LSE zu sichern und dort Zeugen zu hören, sagte die Oberstaatsanwältin. Das sei aber zeitaufwendig. Wann und mit welchem Ergebnis das Verfahren abgeschlossen werden kann, sei daher derzeit nicht absehbar.

Die Börse selbst skizzierte die Möglichkeiten: "Die weitergehenden Ermittlungen könnten von einer Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts bis hin zur Anklageerhebung führen."

Selbst im Falle einer vorzeitigen Beendigung des strafrechtlichen Verfahrens ist das Thema nicht vom Tisch: Die Finanzaufsicht Bafin und die hessische Börsenaufsicht haben Klärungsbedarf in der Causa Kengeter angemeldet. Es geht um seine "Zuverlässigkeit" als Chef einer Einrichtung mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben.

Unabhängig vom Reputationsschaden läuft dem Dax-Konzern die Zeit davon: Kengeter, der die Deutsche Börse im Sommer 2015 aus der Lethargie riss, ist ein Vorstandschef auf Abruf. Der Drei-Jahres-Vertrag des ehemaligen Investmentbankers läuft am 31. März 2018 aus. Mit einer möglichen Vertragsverlängerung - so hat sich Chefkontrolleur Joachim Faber festgelegt - werde sich der Aufsichtsrat erst nach Abschluss aller Verfahren befassen.

(oko)
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