Atomsteuer darf bleiben Pleite für die Atomkonzerne

Luxemburg/Berlin · Atomsteuer gegen Laufzeitverlängerung: So lautete 2010 der Deal zwischen Bundesregierung und Konzernen. Dann kam Fukushima - und die energiepolitische Kehrtwende zog Klagen gegen die milliardenschwere Steuer nach sich. Nun gibt es eine Richtungsentscheidung des EuGH.

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Plötzlich trudelten kurz vor Weihnachten noch 2,3 Milliarden Euro ein - auch für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sehr viel Geld. Dank einer vom Bundesfinanzhof trotz noch anhängiger Klagen verfügten Steuerzahlung der Atomkonzerne konnte Schäuble schon für 2014 die "Schwarze Null" verbuchen. Und damit ein Jahr früher als geplant den ersten ausgeglichenen Bundeshaushalt seit 1969 - ausgerechnet dank der Atomsteuer.

Seit Jahren läuft nun schon der erbittert geführte Rechtsstreit zwischen den Energiekonzernen und der Bundesregierung darum. Bis Donnerstag hatten Eon, RWE, EnBW und Vattenfall große Hoffnungen auf ein Aus für die Steuer durch ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Doch Wolfgang Schäuble kann das Geld erstmal behalten - von 2011 bis 2016 könnte die Steuer am Ende rund sieben Milliarden Euro einbringen. Allerdings unter Vorbehalt: Es sind noch Klagen der Unternehmen bei Finanzgerichten und vor allem beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anhängig.

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Doch das Urteil des EuGH spricht eine klare Sprache: Die Steuer wird von den Richtern in Luxemburg nicht als einseitige Diskriminierung der Kernenergie gegenüber anderen Stromquellen gesehen - und daher als vereinbar mit dem EU-Recht. Denn nur bei der Atomstromerzeugung fallen radioaktive Abfälle an, die in der Vergangenheit durch unsachgemäße Lagerung massive Folgekosten ausgelöst haben.

So soll mit den Einnahmen das Debakel in der Asse bezahlt werden - in unverantwortlicher Weise dort bis 1978 entsorgter Atommüll soll für mehrere Milliarden aus dem früheren Salzbergwerk bei Wolfenbüttel geborgen werden. Für den Steuerzahler ist das Urteil somit eine gute Nachricht. Denn wenn nicht die Konzerne zahlen, müsste das Geld schließlich woandersher kommen. Ein Sprecher des größten deutschen Energiekonzerns Eon sagt lapidar, das Urteil nehme man "zur Kenntnis" und verweist auf das noch laufende Verfahren beim Verfassungsgericht.

Erstmals im Reaktor eingesetzte Brennelemente werden mit 145 Euro je Gramm Kernbrennstoff besteuert, dazu zählen Plutonium 239, Plutonium 241, Uran 233 und Uran 235. Das ist vor allem deshalb so umstritten, weil sich die Grundkoordinaten seit Einführung der Steuer fundamental verändert haben. Sie wurde im Herbst 2010 als Gegenleistung für die von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Laufzeitverlängerung für 17 Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre verstanden.

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Schäuble sagte damals, die neue Kernbrennstoffsteuer werde zwischen 2011 und 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt spülen. Es gab einen Aufschrei und Massenproteste in Berlin, weil Eon, RWE, EnBW und Vattenfall sich in einem zunächst geheimem Vertrag Schutzklauseln hatten zusichern lassen, falls künftige Regierungen die Atombeschlüsse verändern sollten. Zudem sicherten sich die Versorger gegen aus ihrer Sicht zu teure Nachrüstungen ihrer Meiler ab.

Dann kam der 11. März 2011. In Japan bebte die Erde und ein Tsunami verwüstete das Atomkraftwerk Fukushima. Die Physikerin Angela Merkel (CDU) vollzog eine der spektakulärsten Kehrtwenden der deutschen Politik, acht Meiler wurden stillgelegt, die Laufzeitverlängerung kassiert, nun geht der letzte Meiler Ende 2022 vom Netz. Die Konzerne verloren Milliarden. Die Atomsteuer aber blieb, Schäubles Einnahmen daraus verringerten sich durch die Abschaltung von acht AKW deutlich.

Droht den Konzernen nun sogar eine Verlängerung der eigentlich bis 2016 befristeten Steuer? Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betont: "Der EuGH liefert ein gutes Argument für eine mögliche Verlängerung der Atomsteuer." Insgesamt sind über 30 Klagen gegen den Atomausstieg und Aspekte wie die Atomsteuer anhängig, die Unternehmen sehen sich dazu schon mit Blick auf Aktionärsinteressen verpflichtet.

Die Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), betont: "Weil die AKW-Betreiber oftmals nicht sorgsam mit ihrem verstrahlten Müll umgegangen sind, fallen bereits heute für die öffentliche Hand Milliardenkosten an." Die Steuer müsse verlängert werden, "bis das letzte Atomkraftwerk 2022 vom Netz geht".

Die Steuer führt in wenigen Wochen auch zur früheren Abschaltung des ersten Meilers nach der Stilllegungskaskade 2011. Das Kraftwerk im bayerischen Grafenrheinfeld geht Ende Juni vom Netz, statt wie geplant am 31. Dezember 2015. Denn sonst müssten neue Brennstäbe eingesetzt werden, was mit weiteren 80 Millionen Euro Steuer zu Buche geschlagen hätte. Das ist Eon zu viel - denn der viele Wind- und Solarstrom drückt massiv die Erlöse für Kraftwerksstrom - und macht auch die früher als "Gelddruckmaschinen" geltenden AKW unrentabler.

(dpa)
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