Aldi und Lidl Der Discounter wird zum Supermarkt

Düsseldorf · Die Grenzen zwischen den Handelskonzernen verschwimmen immer mehr. Aldi und Lidl investieren Milliarden in die optische Aufbesserung ihrer Filialen, weil der Preis für viele Kunden offenbar nicht mehr allein entscheidend ist.

"Filiale der Zukunft": Aldi stellt den Discounter von morgen vor
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Das sind die "Filialen der Zukunft" von Aldi

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Es gab Zeiten, in denen war für viele Kunden im Einzelhandel der Preis das allein ausschlaggebende Argument. Dieses Kaufverhalten begründete den Aufstieg der Discounter Aldi und Lidl, und es brachte die Supermarkt-Riesen Edeka und Rewe dazu, sich die Discounttöchter Netto und Penny zuzulegen. Aber die Zeiten sind vorbei. Den deutschen Konsumenten reicht "billig" allein nicht mehr. Sie legen Wert auf ein angenehmes Ambiente beim Einkauf und stimmten folgerichtig mit den Füßen ab. Die spartanisch eingerichteten Billiganbieter von einst verloren in den vergangenen Jahren spürbar Marktanteile an klassische Supermärkte.

Milliarden für die Aufwertung der Filialen

Doch die Discounter haben reagiert: Aldi und Lidl wollen in den nächsten Jahren Milliarden für die Aufwertung ihrer Filialen ausgeben. Das Geld fließt in schickeres Design, mehr Frischeprodukte und mehr Service - statt liebloser Filialen mit Paletten und kaltem Neonlicht. Allein Lidl will in den nächsten fünf Jahren mehr als drei Milliarden Euro in sein deutsches Filialnetz stecken und fast alle 3200 Verkaufstellen modernisieren. Das Investitionsprogramm werde um 200 Millionen Euro aufgestockt, sagte Lidl-Vorstandschef Sven Seidel jüngst der "Heilbronner Stimme".

Der Konzern will nicht nur den Supermärkten Marktanteile abjagen, sondern sich auch gegen die wachsende Konkurrenz eigentlich Branchenfremder wie Amazon wehren. Sichtbares Zeichen: Lidl hat das Berliner Start-up "Kochzauber" gekauft, das gegen Gebühr frische Lebensmittel verschickt - inklusive passendem Kochrezept. Konkurrent Aldi will binnen drei Jahren allen 1860 Filialen in Deutschland einen freundlicheren, modernen Auftritt verpassen: mehr Tageslicht, warme Holzverkleidung, Kundentoiletten, Kaffeeautomaten.

"Für die Kunden sind neben dem Preis viele andere Faktoren wichtig geworden", begründete Geschäftsführerin Jeanette Thull bei der Präsentation der "Filiale der Zukunft" in Unterhaching im März die Umbaupläne. Der Kunde suche beim Einkauf Ruhe, Entschleunigung und ein schönes Ambiente - im Supermarkt wie beim Discounter.

Keine Trennung mehr

Die Konsequenz: Beide Handelsformen rücken einander näher - ein Phänomen, das Rewe-Chef Alain Caparros schon vor Jahren beschrieben hat: "Am Ende wird es Händler geben, aber keine Trennung mehr zwischen Supermärkten und Discountern." Zumal die Vollsortimenter selbst genug Discount-Angebote machen, wie Gerrit Heinemann, Handelsprofessor an der Hochschule Niederrhein, betont.

So wird der Discounter zum Supermarkt. Wolfgang Adlwarth von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hält die Strategie von Aldi und Lidl trotz der hohen Kosten für eine folgerichtige Antwort auf die sich wandelnden Kundenbedürfnisse. "Wir sehen seit einiger Zeit den Trend, dass die Konsumenten höhere Ansprüche stellen und mehr Wert auf Qualität legen", meint der Marktforscher, "daran versuchen sich die Discounter anzupassen." Allerdings sei das eine Gratwanderung. Denn die Billiganbieter müssten ihre Läden den Supermärkten ähnlicher machen, ohne das eigene Preisimage zu gefährden, betont Adlwarth.

Die Gefahr sieht auch Heinemann: "Die Discounter stecken in einem Dilemma. Sie haben in Deutschland eine natürliche Sättigungsgrenze erreicht und können jetzt nur noch dadurch punkten, dass sie die Artikel im Regal wertiger machen. Das Trading-up führt dann dazu, dass sie teurer werden müssen." Aus Sicht des Mönchengladbacher Handelsexperten haben Aldi, Lidl und Co. aber kaum eine andere Wahl, weil es ihnen die Kommunen auch immer schwerer machen, große Filialen in den Randlagen der Städte zu eröffnen.

Also kein Platz mehr für Billiganbieter? Vielleicht doch. "Vielleicht kommt ja was ganz Neues, einer, der die Ärmel hochkrempelt und vor allem mit Billigpreisen punktet", sagt Heinemann. So wie Aldi in den 60er Jahren eben.

(RP)
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