Insolvente Fluggesellschaft Was Kunden zu Air Berlin wissen müssen

Düsseldorf · Air Berlin wird größtenteils wohl an die Lufthansa gehen, auch Easyjet und Condor könnten Teile übernehmen. Hunderttausende Kunden der insolventen Airline sind noch im Besitz von Flugtickets. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 Schalter von Air Berlin am Flughafen in München (Archiv).

Schalter von Air Berlin am Flughafen in München (Archiv).

Foto: dpa, tha kde

Die Fluggesellschaft Air Berlin hat am 15. August Insolvenz angemeldet — große Teile des Unternehmens wird wohl Lufthansa übernehmen. Der Flugbetrieb soll nach Angaben von Air Berlin zwar weitgehend fortgeführt werden, doch Pilotenstreiks und Flugausfälle sorgten bei Passagieren jüngst für Unmut.

Stimmt es, dass die Politik sich deutlich für Lufthansa als Käufer von Air Berlin einsetzt? Ja. Weil Air Berlin schon lange tiefrote Zahlen schrieb, war seit Anfang des Jahres sicher, dass ein eigenständiges Überleben undenkbar ist. In dieser Situation sprach Lufthansa-Chef Carsten Spohr im März und April mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Dies zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Katharina Dröge, die unserer Redaktion vorliegt. Auch der Übergangskredit des Bundes für Air Berlin wurde mit Lufthansa abgesprochen. Ziel ist speziell zu verhindern, dass die Flugrechte von Air Berlin bei einem unkontrollierten Zusammenbruch an den irischen Billigflieger Ryanair gegangen wären. Außerdem wollte die Bundesregierung ein Ende von Air Berlin kurz vor der Bundestagswahl vermeiden.

Wird es am Montag wie geplant im Aufsichtsrat eine Entscheidung geben? Nein. Die Verhandlungen werden sich wohl noch bis zum 12. Oktober hinziehen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Große Teile des europäischen Flugverkehrs werden wohl von der Lufthansa fortgeführt. Fast alle Arbeitsplätze in der Air-Berlin-Zentrale fallen weg. Die Langstrecke wird dicht gemacht, diese Flüge werden sicher Mitte Oktober schon storniert. Eurowings und Condor könnten schon bald Ersatzangebote machen — allerdings wohl ohne die bereits bezahlten Tickets in Zahlung zu nehmen.

Sollten Passagiere gebuchte Flüge mit Air Berlin jetzt stornieren? "Wir erhalten viele Nachfragen von verunsicherten Kunden", erzählt Beate Wagner, Referentin für Reiserecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Wir raten Verbrauchern aber davon ab, die bereits gebuchten Flüge mit Air Berlin überstürzt zu stornieren." Noch bestehe die Chance, dass sie regulär von Air Berlin oder einem potenziellen Käufer wie nun Lufthansa durchgeführt werden. "Wer storniert, verschlechtert seine Chance, Geld zurückerstattet zu bekommen."

Was erwartet Kunden im Falle einer Stornierung? Kunden haben bei einer Stornierung nur Anspruch auf Rückerstattung von Steuern und Gebühren sowie einen Teil des Ticketpreises. Vor dem 15. August bezahlte Flüge gehören zur Insolvenzmasse — Rückzahlungen gibt es, wenn überhaupt, erst nach dem Insolvenzverfahren. Im Verfahren werden zunächst die Entschädigungen an die Gläubiger gezahlt: Banken oder Arbeitnehmer stehen mit ihren Forderungen vor dem Kunden. Anders sieht es bei Buchungen ab dem 15. August aus: Dieses Geld soll auf einem Treuhandkonto verwahrt werden. Falls Flüge ausfallen, gibt es das Geld zurück. Die Käufer von Teilen von Air Berlin erhalten dieses Geld, um dann die Flüge durchzuführen.

Was ist mit Pauschalreisen? Wenn Flüge ausfallen, haben Pauschalreisende bessere Karten: Der Reiseveranstalter muss dann für einen Ersatz sorgen. Dies ist auch einer der Gründe, warum Condor und Eurwings ab November Karibik-Flüge ab Düsseldorf anbieten: Air Berlin gab die Strecken nach Kuba, Mexiko und in die Dominikanische Republik auf — also suchten die Reiseveranstalter schnell neue Anbieter für gerade diese Ziele.

Was empfiehlt die Verbraucherzentrale Kunden, die bald fliegen? "Wir befinden uns in einer Zwickmühle: Einerseits dürfen wir keine Panik schüren, weil schließlich nur einige Flüge von Air Berlin ausfallen. Andererseits ist es auch unsere Aufgabe, Kunden vor drohenden Flugausfällen zu warnen", sagt Wagner. "Wer bereits im Urlaub ist oder bald fliegt, könnte sich überlegen, sicherheitshalber einen alternativen Rückflug mit einer anderen Fluggesellschaft zu buchen."

Wieso wurden keine Vorkehrungen getroffen? Die Verbraucherzentralen fordern seit Jahren einen Insolvenzschutz für alle Flugreisenden — nicht nur bei Pauschalreisen. "Das Nachsehen des mangelnden Insolvenzschutzes haben nun Kunden, die ihre Flüge selbst gebucht haben", sagt Klaus Müller, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. "Die Politik hat versagt."

(mba, heif, rky, )
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