Erich Staake "Umweltaktivisten gefährden Großprojekte"

Der Chef der Duisport-Gruppe über seine Wünsche zum 300. Hafen-Geburtstag, die Macht von Protestprofis, Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen und die Zukunft seines Unternehmens.

300. Hafen-Geburtstag - und Geburtstagskinder dürfen sich natürlich was wünschen. Was wäre das aus Sicht des Duisburger Hafens?

Staake Die Voraussetzungen, um große Projekte stemmen zu können, müssen wieder auf ein vernünftiges Maß zurechtgestutzt werden.

Das müssen Sie erklären.

Staake Wir sind bei jedem Infrastrukturprojekt mit so vielen Vorschriften und Auflagen konfrontiert, dass viele gute Vorhaben wirtschaftlich und zeitlich undurchführbar werden. Viele internationale Firmen machen deshalb schon einen Bogen um Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass der NRW-Verkehrsminister nach Berlin fahren muss, um beim Bund für ein schnelleres Planfeststellungsverfahren zu betteln, damit die Leverkusener Brücke oder die A40-Brücke nicht erst in zehn Jahren fertig werden. Wir haben eben ein leidiges Problem mit der übertriebenen Rücksichtnahme vieler Gutwilliger auf einige wenige Verhinderer.

Wollen Sie die Bürger bei Großprojekten etwa außen vor lassen?

Staake Bürgerbeteiligung ist notwendig. Als wir das ehemalige Stahlwerkgelände von Krupp zu einem Logistikstandort umgebaut haben, bin ich selbst im Stadtteil Rheinhausen unterwegs gewesen, um dafür zu werben. Tiefgreifende Veränderungen sind für die Menschen nicht immer einfach, aber wenn man offen und ehrlich ist, dann kann man sie mitnehmen. Es ist aber schwieriger geworden. Heute werden Empörungswellen oft professionell von interessierten Minderheiten inszeniert. Besonders von den einschlägigen Umweltverbänden. Meine Erfahrung ist: Die Bürger von Rheinhausen wollten sich eine Meinung bilden, die Protestprofis wollen Meinung machen. Das ist ein gravierender Unterschied.

Wie sieht das konkret bei Duisport-Projekten aus?

Staake Das sind keine lustigen Schildbürgerstreiche mehr, über die man schmunzeln könnte. Das kostet die Menschen in der Region reale Chancen und Perspektiven. Wir wollen als Hafengesellschaft alte, brachliegende Montan-Industrieflächen reanimieren - und nicht etwa Naturschutzgebiete oder landwirtschaftliche Flächen zerstören. Auf den Industrieflächen hat sich aber über die Jahre Fauna ausgebreitet. Die wird besser geschützt als jeder Arbeitsplatz in der Region. Allerdings können wir mit dem systematischen Umsiedeln von Fledermäusen und Kreuzkröten keine tragfähige Wertschöpfung generieren. Das Ganze verhindert neue Ansiedlungen, weil die Kosten - im internationalen Vergleich ohnehin - zu hoch sind. Ein anderes Beispiel ist die sogenannte Betuwe-Linie zwischen Emmerich und Oberhausen. . .

. . . die Güterverkehrslinie, deren Ausbau seit Jahren stockt.

Staake Und das, weil einige wenige Aktivisten sich über Jahre gegen ein wichtiges Vorhaben wehren, mit dem eine wirtschaftlich schwächelnde Region gestärkt werden könnte. Wir sprechen über lächerliche 70 Kilometer Schiene. Ich will nicht unken, aber aus der Betuwe-Linie wird meines Erachtens leider in den nächsten fünf Jahren nichts werden. Die Schweizer mit ihrem gigantischen Gotthard-Tunnel amüsieren sich wahrscheinlich über uns. Die haben übrigens gerade in einer Volksabstimmung für die zweite Autoröhre gestimmt. Aber im Ernst: Ich mache mir große Sorgen um den Logistik-Standort NRW.

Ein ähnlicher Streit droht Ihnen wegen der geplanten Rheinvertiefung.

Staake Wir beklagen, wie voll die Straßen sind, und dass Gefahrgut über die Autobahnen transportiert werden muss. Wenn man aber den Verkehr von der Straße holen will, und dazu Wasserwege und Schiene ertüchtigen muss, dann kommt der BUND und tut so, als würde man die Natur absichtsvoll zerstören wollen. Wir sollten endlich fair und ehrlich miteinander umgehen. Ein Ausgleich ist möglich, aber dazu braucht es Augenmaß und Kompromissbereitschaft. Da hat der eine oder andere Umweltverband noch kräftigen Nachholbedarf.

Wie stark trifft Sie das schwächere chinesische Wachstum?

Staake Wir spüren das jetzt schon sehr. Ehrlich gesagt, mehr als mir lieb sein kann. Wenn in der größten Industrienation der Welt das Handelsvolumen im vergangenen Jahr um fünf Prozent abgenommen hat und in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres um sechs, kann man das im größten Binnenhafen der Welt nicht ignorieren.

Heißt das, Sie orientieren sich um?

Staake Wir sind Unternehmer und orientieren uns immer an den Märkten. China bleibt für uns ein extrem wichtiger Partner. Noch in diesem Monat nehmen wir eine neue Güterverkehrsstrecke von Duisburg nach Chengdu in Betrieb. Wir werden uns aber mittelfristig breiter aufstellen, um das gute Ergebnis von 2014 wieder zu erreichen. Das ist ein realistisches Ziel. Der Rekordwert von 2015 liegt nicht mehr in Reichweite.

Welche Großprojekte stehen bei Ihnen international an?

Staake Noch in den kommenden Monaten beginnt der Bau unseres Trockenhafens in der Türkei. Wir realisieren ein sehr anspruchsvolles Projekt in geopolitisch interessanter Lage. Und wir schauen weiter über den Tellerrand und prüfen mögliche Akquisitionen im Ausland.

Was ist mit regionalen Projekten?

Staake Wir wachsen weiter durch kluge Kooperationen. Mit der Evonik AG entwickeln wir in Lülsdorf, südlich von Köln, einen neuen Hafen und stemmen dessen Vermarktung. Danach nehmen wir Logport V und VI in Angriff. Es ist einiges in der Pipeline. Wir haben also in den nächsten Jahren viel zu tun.

Haben Sie noch ausreichend Flächen, um in Nähe des Hafens weitere Firmen anzusiedeln?

Staake Langsam wird's knapp, aber wir bleiben kreativ. In Duisburg können wir maximal noch ein oder zwei gezielte Projekte durchführen. Denkbar wäre beispielsweise etwas Innovatives aus dem E-Commerce-Bereich. Um weiter zu wachsen, schauen wir uns ehemalige RAG-Flächen im nördlichen Ruhrgebiet an. Da gibt es viel Potenzial - gerade für neue Jobs, die diese Region so bitter nötig hat.

MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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