Düsseldorf Thyssenkrupps Kunstgriff in Brasilien

Düsseldorf · Der Bergbaukonzern Vale verkauft seine Anteile an dem Problem-Werk nahe Rio de Janeiro an Thyssenkrupp. Auch dank eines sogenannten Besserungsscheins kommt der Essener Konzern um eine unliebsame Abschreibung herum.

Fünf Jahre nach Einweihung des Thyssenkrupp-Stahlwerkes in Brasilien wird das Ausmaß des Missmanagements einmal mehr sichtbar. Zum symbolischen Preis von nur einem Dollar verkauft Miteigentümer Vale seine Beteiligung von 26,9 Prozent an der brasilianischen Hütte CSA an Thyssenkrupp. Die Essener hatten in das Stahlwerk insgesamt einen knapp zweistelligen Milliardenbetrag investiert.

Damit erweist sich die brasilianische Hütte als eine der größten Fehlinvestitionen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Von Anfang an hatte das Werk die Erwartungen komplett verfehlt und den Konzern zeitweise an den Rand des Ruins gebracht. Schon der Standort in Mangrovensümpfen südlich von Rio de Janeiro war von den Vorgängern des jetzigen Vorstandschefs Heinrich Hiesinger falsch ausgewählt worden. Auch beim Bau hatte sich eine Panne an die nächste gereiht. Bis heute schreibt die Hütte Verluste.

Obwohl Vale seinen Anteil nun zum Preis von einem symbolischen Dollar abgibt, muss Thyssenkrupp keine Abschreibung vornehmen - aktuell steht die Beteiligung mit einem Wert von rund 2,2 Milliarden Euro bei Thyssenkrupp in den Büchern. Dies ist möglich, weil sich Vale auf einen sogenannten Besserungsschein eingelassen hat.

Ein Sprecher des Konzerns sagte, im Zuge dieses Instruments seien mit Vale bestimmte Preis-Bandbreiten vereinbart worden. Sollte ein Abnehmer für das Werk gefunden und ein Kaufpreis innerhalb der Bandbreite erzielt werden, werde ein Betrag an Vale gezahlt. Die Höhe sei vertraulich. Eine Abschreibung wegen des "symbolischen Kaufpreises" ist dem Sprecher zufolge daher nicht nötig: "Ausschlaggebend für die Bewertung ist nicht der Kaufpreis, sondern die Mechanik hinter dem Besserungsschein." Die Wirtschaftsprüfer von PwC seien involviert.

Eine Abschreibung zum jetzigen Zeitpunkt käme für die Essener auch ungelegen - der Ruhrkonzern verfügte zuletzt über 3,4 Milliarden Euro Eigenkapital. "Ein Besserungsschein bedeutet für den Verkäufer zunächst einen Verzicht auf Ansprüche - das macht normalerweise keiner gern", hieß es in Wirtschaftsprüferkreisen.

Thyssenkrupp hingegen bewertete Vales Ausstieg als einen kleinen, aber wichtigen Schritt hin zu einem Verkauf. Ob es bereits Interessenten für den Kauf von CSA gibt, wollte der Konzernsprecher nicht kommentieren. Noch 2009 hatte Vale seinen Anteil an der brasilianischen Hütte für knapp eine Milliarde Euro von zehn auf 27 Prozent aufgestockt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Werk mit insgesamt 5,5 Milliarden Euro bewertet. Doch seither schrieb die Hütte fast ausnahmslos Verluste. Im vergangenen Quartal lag das Minus bei 74 Millionen Euro. Auch andere wichtige Kennziffern wie Auftragseingang und Umsatz zeigten nach unten.

Immerhin kann Thyssenkrupp nun als alleiniger Eigentümer in Brasilien durchregieren und den Verkauf von CSA vorantreiben. Der letzte Versuch vor knapp drei Jahren war gescheitert - an Vale. Analysten zufolge hatten Thyssenkrupp die starken Vetorechte von Vale stark zu schaffen gemacht. Diese wurden dem Bergbaukonzern im Rahmen der Kapitalerhöhung 2009 zugestanden.

(RP)
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