Hamburg Tchibo will Nespresso angreifen

Hamburg · Der Hamburger Kaffeeröster rückt mit seinem neuen Kapselsystem Qbo der Konkurrenz auf den Pelz. Eine per Smartphone bedienbare Kaffeemaschine mit eigener App soll vor allem die junge Genartion ansprechen.

Hamburg: Tchibo will Nespresso angreifen
Foto: Thinkstock

Es ist der Deutschen liebstes Getränk. Seine Zubereitung ein allmorgendliches Ritual. Waren für die Tasse Kaffee einst allerdings noch Bohnenmahlen und Handaufgießen nötig, heißt es heute: Kapsel rein, Knöpfchen drücken und genießen. Seit Jahren sorgen die Kaffee-Kapseln bei den Herstellern für klingelnde Kassen - und gleichzeitig weltweit für steigende Müllberge. Tchibo geht nun noch einen Schritt weiter. Mit seinem neuen Kapselsystem Qbo (einer Wortschöpfung aus Q für Cube, also Würfel, und -bo für Tchibo) präsentiert das Hamburger Unternehmen die Kaffeezubereitung 4.0 - und greift damit Marktführer Nespresso an.

Zugegeben: Auf den ersten Blick bietet Qbo wenig Neues. Die dazugehörige Kaffeemaschine You-Rista ist 30 Zentimeter breit und ebenso hoch. Sie arbeitet laut Tchibo mit einem Druck von 19 Bar. Und auch die bunten Kapseln mit den fantasievollen Namen wie Babu Budan und Estrada Paraiso erinnern stark an die Konkurrenz Nespresso.

Die Besonderheit steckt laut Hersteller allerdings im Inneren. Denn Tchibos neue Kaffeemaschine kommuniziert über Wlan mit einer Qbo-App. Damit kann der Nutzer per Smartphone das gewünschte Mischverhältnis aus Espresso, Milch und Milchschaum bestimmen und per Fingerstreich entscheiden, ob er sich kalten oder heißen Milchschaum wünscht und wie stark der Kaffee sein soll - für jeden Kunden die persönliche Mischung. Die entsprechenden Lieblingsvarianten lassen sich zudem abspeichern, über eine Community teilen und auch an andere Maschinen übermitteln.

Eine Spielerei, mit der Tchibo nicht nur die junge, technisch interessierte Generation ansprechen will, sondern sich auch gegen die Wettbewerber behaupten möchte. Dazu gehören neben der Edelmarke Nespresso auch Tassimo und Dolce Gusto. Das günstige Kapselsystem Cafissimo gehört zu Tchibo selbst. Bei allen gilt das gleiche Prinzip: Vergleichsweise günstiges Gerät, teure Kapseln. Während Kaffee im Supermarkt schon für einige Euro zu haben ist, kostet ein Kilo in Kapseln gepresst umgerechnet rund 60 Euro. Außerdem sind Kapsel-Kunden treue Kunden - wer sich für ein System entschieden hat, bleibt oft dabei - schließlich passen die Kapseln auch nicht in jedes Gerät.

Trotzdem wächst der Markt rasant. "Während der Markt für Pads seit 2014 kaum gewachsen ist, setzt der Kapselmarkt sein zweistelliges Wachstum fort", heißt es bei Tchibo. Auch der Kaffee-Experte Michael Griess von der Marktforschungsfirma Nielsen bestätigt: "Vor allem Kaffeekapseln konnten im vergangenen Jahr mit einem Absatzwachstum von zwölf Prozent punkten." Inzwischen stehe in jedem fünften deutschen Haushalt eine Maschine, die Kapseln braucht. Insgesamt wurden 2015 rund zwei Milliarden Kaffeekapseln verkauft - dreimal so viele wie noch fünf Jahre davor. Der Umsatz mit Kapseln betrug rund 620 Millionen Euro, das ist mehr als das Vierfache wie noch vor fünf Jahren.

Und Tchibo, Nespresso und Co. wittern weiteres Potential. Denn dieses Marktsegment ist weltweit gesehen noch stark ausbaufähig: Bislang kommen laut Griess nämlich erst fünf Prozent des getrunkenen Kaffees aus Kapseln. Gemessen an der Menge haben Kapseln nicht einmal einen Anteil von zehn Prozent des Kaffeemarktes.

Umweltschützer sehen den Kapsel-Boom allerdings mit Grauen. So verursachten die zwei Milliarden Kapseln aus dem Vorjahr rund 4000 Tonnen Müll, bei einem Kapselgewicht von zwei Gramm. Sind die Kapseln ganz oder teilweise aus Aluminium gefertigt, kommen hohe Energiekosten bei der Produktion hinzu. Theoretisch können die Kapseln zwar über das duale System -also den gelben Sack - zum Teil wiederverwertet werden. Doch längst nicht jede Kapsel nimmt diesen Weg. Auch nachfüllbare Kapsel-Varianten sind inzwischen auf dem Markt. Und Tchibo wirbt bei seinen Qbo-Kapseln damit, dass diese aus recycelbarem Polypropylen-Kunststoff bestehen. Denn natürlich wissen die Hersteller, dass die Unmengen an Müll zum Problem ihrer Goldgrube werden könnten: Bei den Grünen denkt man bereits über eine Kapsel-Abgabe nach.

(beaw)
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