Düsseldorf Sprit ist auch zum Ferienstart günstig

Düsseldorf · Samstag starteten Hunderttausende in den Urlaub - ein Liter Diesel kostete nur 1,029 Euro. Die günstigen Preise zeigen: Das Überangebot am Ölmarkt ist riesig, US-Förderer greifen an, von einem neuen Ölpreisschock ist die Rede.

Zum Start der Sommerferien in NRW rechneten viele Autofahrer mit steigenden Spritpreisen. Doch am Samstag blieb der Preisschock an den Zapfsäulen aus. In Leverkusen direkt neben der Autobahn A3 kosteten am Nachmittag 49,70 Liter Diesel 51,16 Euro - also 1,029 Euro pro Liter. "Solche Preise wären früher meistens undenkbar gewesen", sagt Rainer Wiek, Chefredakteur des Energieinformationsdienstes (EID) in Hamburg, "die Ölbranche ersäuft in vollen Lagern und die Käufer tanken so günstig wie lange nicht mehr."

Die günstigen Preise bestätigen, dass der Ölmarkt in einer erneuten Revolution steckt. Die Zeit, als die Opec als Bündnis vieler der wichtigsten Ölförderstaaten den Markt weitgehend steuern konnte, ist in diesem Sommer endgültig vorbeigegangen.

Seit neun Monaten versucht das früher so mächtige Kartell die Notierungen für das schwarze Gold mit Förderkürzungen auch in Absprache mit Russland als Nicht-Opec-Staat nach oben zu treiben - umsonst. Weil amerikanische Unternehmen ihre Förderung von sogenanntem Schieferöl, also Öl, das aus Gesteinsschichten mit heißem Wasserdampf herausgepresst wird, schnell erhöhen, ist der Ölpreis abgestürzt: Vor drei Jahren kostete ein Barrel Rohöl (159 Liter) mehr als 100 US-Dollar, im Januar waren noch 56 Dollar drin, jetzt sind es nur 48,92 Dollar. "Der Ölmarkt ist ein Käufermarkt geworden", heißt es beim ADAC, "die Autofahrer profitieren von der Konkurrenz der Ölstaaten."

Die entscheidende Änderung ist der Fracking-Boom in den USA. Als die Ölpreise ab 2014 abrutschten, wollte Saudi-Arabien zuerst eigentlich die US-Förderer unkonventioneller Ölreserven aus dem Markt drängen - der Plan scheiterte.

Seit Ende 2016 stieg alleine die Ölproduktion in den USA um 600.000 Tonnen auf 9,4 Millionen Tonnen am Tag. Mehr als eine Million Tonnen aus Fracking-Öl wird als weiteres Angebot schon bald erwartet. "Früher dachte die Branche, dass sich die Förderung aus Schieferöl unter einem Preisniveau von 70 US-Dollar nicht rechnet", berichtet Daniel Yergin, renommierter Ölmarktexperte aus den USA, "jetzt sehen wir, dass die Schieferölindustrie auch mit Ölpreisen von 40 oder 50 Dollar gut leben kann."

Dabei könnte sich das Überangebot noch weiter erhöhen. Zwar haben viele Ölkonzerne wie BP oder Exxon ihre Investitionen in traditionelle Bohrlöcher stark heruntergefahren, doch gleichzeitig gelten China, Algerien und Argentinien als denkbare weitere Förderländer mit der neuen Fracking-Technik. "Jedes dieser Länder könnte ähnlich große Schieferölreserven haben wie die USA", warnt Bob Dudley, Vorstandschef von BP, "diese neuen Ressourcen haben unsere Industrie völlig verändert."

Als Ergebnis verschieben sich weltpolitisch die Gewichte. Geschwächt sind Saudi-Arabien, Iran, Russland oder Venezuela als klassische Großmächte im Ölmonopoly.

Gewicht gewinnen die USA, die einerseits immer weniger Öl aus der Krisenregion am Persischer Golf brauchen, andererseits wieder zum Exportland von Öl werden: 2015 hob der damalige Präsident Barack Obama noch ein 40 Jahre altes Exportverbot für Öl auf, im Februar wurde bereits eine Million Barrel am Tag ins ausland verkauft. Bis 2020 halten Experten tägliche Exporte von 2,3 Millionen Tonnen für denkbar. Das kann helfen, das Defizit in der Handelsbilanz zu senken.

Auf Dauer die entscheidende Frage ist natürlich, ob das dank Fracking so billige Öl zu mehr Spritverbrauch und damit zu mehr klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen führt. US-Präsident Trump würde dies als Gegner des Klimaschutzabkommens von Paris bekanntermaßen nicht stören, manche Experten halten aber auch einen anderen Trend für denkbar: So meint der norwegische Öl- und Gaskonzern Statoil, bis 2050 könnte die weltweite Nachfrage nach Öl von aktuell 97 Millionen Barrel am Tag auf 63 Millionen Barrel sinken. Der Grund: 2050 sei denkbar, dass fast alle Autos mit Elektromotor fahren.

(RP)
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