Analyse Servus, Arbeitnehmerrechte!

Düsseldorf · Die Beschäftigten bei Servus TV haben einen Rückzieher gemacht und wollen nun doch keinen Betriebsrat bilden. Zuvor hatte der Eigner angedroht, den Sendebetrieb bei einer Gründung einzustellen. Eine Geschichte, bei der am Ende alle als Verlierer dastehen.

Dass ein Betriebsrat so richtig nerven kann, wird so gut wie jeder Manager mit einem solchen Gremium im eigenen Hause unterschreiben können. Gute Betriebsräte sind diejenigen, die für das Wohl der Belegschaft auch mal unbequem sind. Ansonsten liefen sie ja Gefahr, von der Mannschaft als willfährige Abnicker der Geschäftsführung betrachtet zu werden.

Der österreichische Unternehmer und Eigentümer der Getränkemarke Red Bull, Dietrich Mateschitz (71), gehört offenbar zu der Sorte Manager, die sich erst gar nicht mit solch nervigen Menschen auseinandersetzen wollen. Recht hemdsärmelig kündigte er am Dienstag an, den Sender Servus TV einzustellen. Mateschitz nannte nachträglich völlig unverblümt die geplante Betriebsratsgründung als Auslöser. Die Belegschaft zeigte sich von der Kündigungsdrohung beeindruckt und versicherte in einem offenen Schreiben an den Getränke-König, man werde auf die Betriebsratsgründung verzichten. Mateschitz nahm die Kündigungen zurück.

Der Rückzieher der Belegschaft ist verständlich. Schließlich ging es um ihre Jobs. Einen Gefallen getan haben sie sich wohl nicht. Denn das Signal nach außen ist fatal: Ein Manager kann in Österreich rabiat legitime Anliegen seiner Mitarbeiter verhindern. Die Gefahr besteht, dass andere seinem Beispiel folgen.

Mateschitz argumentierte übrigens damit, dass sich die "überwiegende Mehrheit" der Servus-TV-Mitarbeiter in einem offenen Brief gegen die Betriebsrats-Gründung ausgesprochen habe, noch dazu in einem "Betrieb, der für seine hohen sozialen Standards bekannt ist".

Hat also die Demokratie gesiegt, so wie es Mateschitz jetzt darstellt? Mit dem Schutz der Minderheit vor der "Tyrannei der Mehrheit" beschäftigen sich Politiker und Juristen schon seit Jahrhunderten. Bei der Formulierung des Betriebsverfassungsgesetzes in Deutschland und des österreichischen Pendants, des Arbeitsverfassungsgesetzes, war den Gesetzgebern dieser Umstand bewusst. Deshalb haben sie ihn auch explizit berücksichtigt. Nicht die Mehrheit in Betrieben entscheidet, ob ein solches Gremium gegründet wird. Es genügt, dass drei Beschäftigte dessen Einsetzung wünschen und einen Wahlausschuss gründen.

Eine Wahl hatten die Mitarbeiter bei Servus TV aber erst gar nicht. Wenn die Beschäftigten tatsächlich der Gründung einer eigenen Vertretung derart kritisch gegenüberstehen, so wie Mateschitz es jetzt darstellt, hätte er eine Betriebsratswahl nicht fürchten müssen. Denn auch auf dem Wahlweg hätte die Gründung des Gremiums verhindert werden können: Die Beschäftigten hätten die aufgestellten Kandidaten einfach durchfallen lassen.

Der Fall Servus TV ist ein besonders krasses Beispiel dafür, dass einigen Unternehmern die Arbeitnehmerrechte inzwischen herzlich schnuppe sind. Eine gefährliche Entwicklung. Bleibt zu hoffen, dass die Mitarbeiter bei Servus TV dieses Spiel durchschauen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Denn an den vom Unternehmen selbst gelobten "hohen sozialen Standards" darf man getrost zweifeln, wenn die Geschäftsführung nicht einmal davor zurückschreckt, die gesamte Belegschaft von einem Tag auf den anderen wegen eines legitimen und gesetzlich verbrieften Rechts an die Luft zu setzen.

(maxi)
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