Dortmund Sensoren für Senioren

Dortmund · Je älter die Menschen werden, desto mehr Fragen stellen sich: Wie sorgt man dafür, dass nach einem Sturz schnell genug Hilfe kommt? Wie lange kann jemand mit Demenz noch allein wohnen? Helfen könnte Technik. Doch die hat ihren Preis.

Stellen Sie sich folgende Frage: Was würden Sie tun, um im Alter nicht in ein Seniorenheim zu müssen? Bettina Horster ist überzeugt: "Alte Leute würden alles tun, um in ihrer Wohnung bleiben zu können." Also will die Chefin des IT-Unternehmens Vivai Software AG ihnen helfen. Selbst wenn das bedeutet, dass die Senioren sich überwachen lassen müssen.

Die Zahl der Pflegebedürftigen ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen. Waren es im Jahr 1996 noch 1,5 Millionen Menschen, die Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung empfingen, lag ihre Zahl 2016 bereits bei 2,7 Millionen. Weil die Zahl der alten Menschen in Deutschland zunimmt, steigt in den kommenden Jahren der Pflegebedarf - nur ausreichend Personal gibt es dafür nicht.

"Heute haben Pflegekräfte oft nur fünf Minuten Zeit für die Patienten", sagt Bettina Horster: "Mit Technik können wir sie entlasten." In Dortmund haben die Vivai Software AG und Partner daher vor einigen Monaten das Konsortium "Smart Service Power" gegründet. Beteiligt sind unter anderem die Stadt Dortmund und ein Wohnungsunternehmen. Unterstützung gibt es auch von der Krankenversicherung Barmer GEK und den Axa-Versicherungen.

Das Bündnis will ein Angebot entwickeln, das Menschen durch Technik hilft, im Alter länger und sicherer zuhause zu leben. Entsprechende Versuche gibt es schon lange, der wohl bekannteste ist der Hausnotruf, ein kleiner Alarmknopf am Handgelenk. Doch "Smart Service Power" will einen Schritt weiter gehen. Statt einzelne technische Lösungen anzubieten, geht es um den Bau einer Plattform, auf der Daten zu Aktivitäts- und Verhaltensprofilen verknüpft werden, um im richtigen Moment Alarm auszulösen.

Dazu setzt das Konsortium unter anderem auf Sensoren, die Bewegungen registrieren. "Wir möchten die Wohnung zu einer Assistenzumgebung machen", sagt Enrico Löhrke vom Duisburger Smart-Home-Anbieter Inhaus, der ebenfalls beteiligt ist. Wie bei einem Auto solle sie den Nutzern im Alltag mehr Sicherheit geben und diese in Gefahrensituationen unauffällig unterstützen. "Wir nutzen verschiedene Sensoren, leiten aus deren Daten mittels Software mögliche Gefahrensituationen ab und informieren dann die zuständigen Ansprechpartner wie etwa den Pflegedienst", sagt Löhrke: "Wir wollen nicht, dass jemand stundenlang unentdeckt im Badezimmer liegt, zum Beispiel nach einem Sturz."

Dabei soll die Technik jedoch unauffällig im Hintergrund agieren, Kameras soll es nicht in der Wohnung geben. "Wir wollen kein Technik-Labor, es soll eine Wohnung bleiben", macht Enrico Löhrke klar. Dennoch könnten die Daten wichtige Hinweise geben: Gerade im Bereich Demenz ließen sich so Abweichungen von normalen Alltagsabläufen erkennen, so dass die Betreuung angepasst werden könnte.

Damit das Ganze nicht zu sehr nach "Big Brother" klingt, sollen Nutzer definieren können, welche Daten genutzt werden - und welche nicht. So könnten sie beispielsweise festlegen, ob bei einem Sturz nur der Rettungsdienst oder direkt auch Angehörige informiert werden.

Bettina Horster ist überzeugt, dass das Interesse an der Plattform groß sein wird. 2020 soll aus dem momentan laufenden Projekt eine Firma mit funktionierendem Geschäftsmodell entstehen. "Wir sehen gerade in ländlichen Regionen sehr großes Potenzial, weil die Infrastruktur dort viel schlechter ist", sagt Bettina Horster.

(frin)
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