Sanktionen Droht Europa ein Gas-Engpass?

Düsseldorf · Die Sanktionen treffen ein Viertel der deutschen Unternehmen. Zugleich fürchten sich Unternehmen und Verbraucher vor Gegenmaßnahmen wie eine Unterbrechung der Gasversorgung. Die Russen versichern, weiter zu liefern.

 Die schärfste Waffen der Russen ist das Gas.

Die schärfste Waffen der Russen ist das Gas.

Foto: AFP, AFP

Um im Ukraine-Konflikt Druck auf Russland auszuüben, hat die EU auf dem Gipfel am Wochenende beschlossen, "weitere energische Schritte zu unternehmen". Nun muss die EU-Kommission binnen einer Woche Vorschläge für neue Sanktionen vorlegen. Im Gegenzug, so wird befürchtet, weitet Russland seine Maßnahmen gegen europäische Unternehmen aus.

Welche Sanktionen gibt es schon?

Vor einigen Wochen hatte die EU die Ausfuhr von Rüstungsgütern, Hochtechnologie-Geräten und "Dual-Use-Güter" beschlossen. L sind Waren wie Lastwagen, die sich sowohl zivil wie militärisch nutzen lassen. Zudem gibt es Einschränkungen bei Bankgeschäften. Betroffen ist etwa die Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall, der die Bundesregierung den Bau eines Gefechtsübungszentrums untersagte. Betroffen sind aber auch Auto-Zulieferer, die Vorprodukte für Lastwagen und andere Dual-Use-Güter liefern. "Hier gibt es Ermessensspielräume, die Unsicherheit bei den Firmen ist groß", sagt Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Selbst Hersteller von Autositzen und -Schlössern könnten von dem Ausfuhrverbot betroffen sein.

Wie können die Sanktionen ausgeweitet werden?

In einem nächsten Schritt kann die EU die Liste der Güter, deren Ausfuhr verboten ist, erweitern. Dann könnte auch der Export anderer ziviler Güter wie Maschinen allgemein verboten werden. Schon jetzt ist jedes vierte deutsche Unternehmen, das im Ausland aktiv ist, von den Sanktionen betroffen, so der Deutsche Industrie und Handelskammertag. Er senkte seine Prognose für das Wachstum der Exporte bereits von 4,5 auf 4,0 Prozent. Bei einer Ausweitung der Sanktionen dürfte es weiter runtergehen.

Im Gegenzug haben die Russen Agrar-Importe aus der EU verboten. Wie trifft das die deutschen Bauern?

Russland hat ein einjähriges Einfuhrverbot für Lebensmittel aus EU-Ländern verhängt. Dabei geht es EU-weit um Jahres-Umsätze von 13 Milliarden Euro. Dieses Verbot trifft auch deutsche Bauern, Russland war bislang nach China zweitwichtigster Exportmarkt. Die Deutschen exportierten vor allem Obst, Gemüse, Milch und Fleisch. Auf dem Milchmarkt sei bereits Druck zu spüren. Daher müssten die Milchbauern versuchen, sich neue Absatzländer zu erschließen, so der Bauernverband am Wochenende. Als Sofortmaßnahme will die EU die Kosten zur Einlagerung von Butter und Milchpulver übernehmen und diese auch ankaufen. Dies soll verhindern, dass der europäische Markt mit heimischen Waren überflutet wird und die Preise sinken.

Die schärfste Waffen der Russen ist das Gas. Wie abhängig ist Europa?

Russland ist der wichtigste Erdgas- und Erdöl-Lieferant für Deutschland, es deckt allein 38 Prozent des deutschen Gas-Bedarfs. Zwar sind Deutschlands Erdgas-Speicher nach dem vergangenen milden Winter besonders gut gefüllt (nämlich zu 88 Prozent), der Inhalt reicht aber nicht für einen ganzen Winter. Zudem übernehmen russische Investoren um Michail Fridman gerade die RWE-Tochter Dea, in deren bayerischen Speichern 7,5 Prozent der deutschen Erdgasvorräte lagern.

Wie wahrscheinlich ist ein Lieferstopp für Gas?

Der Ukraine hat Russland schon mehrfach den Gashahn abgedreht. Entsprechende Sorgen gibt es auch im Baltikum, das zu 100 Prozent von russischem Gas abhängt. Russland hat die Deutschen dagegen auch in den finstersten Zeiten des Kalten Krieges beliefert. Und das soll so bleiben. Der Chef des russischen Energieriesen Rosneft, Igor Setschin, betonte gestern im "Spiegel", dass Deutschland trotz wachsender Spannungen keine Lieferstopps befürchten müsse. "Rosneft und andere russische Unternehmen werden sich streng an ihre Lieferverträge halten, die mit Krediten und Vertragsstrafen abgesichert sind."

Wie trifft die Rubel-Abwertung die deutschen konzerne?

Die russische Wirtschaft ist seit langem auf Talfahrt. Das hat mit der Ukraine-Krise den Rubel fallen lassen und hinterlässt Spuren auch bei Konzernen, die die Sanktionen nicht treffen. Für Henkel ist Russland der weltweit viertgrößte Markt. Allein die Ankündigung, man werde die Jahresziele womöglich nur mühsam erreichen, ließ unlängst die Aktie abstürzen. Der Energiekonzern Eon hat in Russland bereits sechs Milliarden Euro investiert. Neun Prozent des Eon-Gewinns stammen von dort, im ersten Halbjahr war das Geschäft dort um ein Viertel eingebrochen. Der Handelskonzern Metro wollte eigentlich längst Teile seines russischen Geschäftes an die Börse bringen. Doch das rückt nun in immer weitere Ferne.

"Die Wirtschaft akzeptiert das Primat der Politik. Aber je länger die Sanktionen dauern, desto größer ist die Gefahr, dass Unternehmen aus anderen Ländern die Geschäfte der Deutschen übernehmen", warnt Siepmann.

(RP)
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