Essen RWE prüft Innogy-Verkauf nach Frankreich

Essen · Berater haben RWE vorgeschlagen, einen Teil seiner Innogy-Aktien an den französischen Versorger Engie zu verkaufen. Kommunen und Gewerkschaften halten nichts davon. Engie betreibt auch den Pannenreaktor Tihange.

Spekulationen um eine grenzüberschreitende Übernahme in der Energiebranche haben den Aktienmarkt beflügelt. Berater haben RWE demnach vorgeschlagen, seine Beteiligung an der Ökostromtochter Innogy an den französischen Konzern Engie abzugeben. Im Gegenzug sollten sich die Franzosen an RWE beteiligen, sagten Investmentbanker der Nachrichtenagentur Reuters. Es gebe aber noch keine direkten Gespräche der Konzerne. Eine RWE-Sprecherin winkte ab: Marktgerüchte kommentiere man nicht. Die RWE-Aktie legte dennoch um mehr als fünf Prozent auf 16,97 Euro zu, seit Jahresanfang hat sie 40 Prozent gewonnen. Die Innogy-Aktie verteuerte sich um gut drei Prozent. Auch der Engie-Kurs stieg leicht.

Was steckt hinter den Spekulationen? Mit einem Bündnis könnten die Konzerne eine Art "Airbus der Energiebranche" schmieden, worüber die Regierungen beider Länder immer mal gesprochen haben. Engie-Chefin Isabelle Kocher hatte bereits angekündigt, das Geschäft mit den Erneuerbaren Energien ausbauen zu wollen. Ein Zukauf von Innogy könnte ihr da helfen.

Womöglich wäre auch Innogy-Chef Peter Terium einem solchen Deal nicht abgeneigt. Der Niederländer soll laut Konzernkreisen darunter leiden, dass er nur noch Chef eines M-Dax-Konzerns ist, während sein früherer Vorstand Rolf Martin Schmitz nun den Mutterkonzern RWE und damit einen Dax-Riesen führt. "Terium mag die große Bühne, gut möglich, dass solche Eitelkeiten eine Rolle spielen", sagte ein Aufsichtsrat unserer Redaktion. Zugleich gäbe der Deal Terium auch die Möglichkeit, den Anlegern wieder etwas zu bieten. Denn auf den furiosen Börsengang der Innogy im Herbst 2016 folgte die Ernüchterung: Im Netzgeschäft sinken absehbar die Renditen, im Vertrieb in Großbritannien gibt es große Probleme, zum Ausbau des Ökostrom-Geschäfts hat Innogy wenig finanziellen Spielraum.

Was spricht gegen den Deal? Die kommunalen Aktionäre halten nichts von solchen Plänen. Sie seien auch vom Vorstand nicht darüber informiert worden, heißt es. "Die Kommunen sind die wichtigsten Kunden von Innogy. Wir werden nicht einfach hinnehmen, dass die Sperrminorität an einen französischen Atomkonzern geht", erklärte ein Vertreter der Kommunen, die knapp 25 Prozent an dem Essener Energiekonzern halten. Engie steht über seine belgische Tochter Engie Electrabel unter anderem hinter den belgischen Pannenreaktoren Tihange und Doel.

Offiziell erklärte Günther Schartz für den Verband der kommunalen RWE-Aktionäre: "Wir kommentieren Marktgerüchte nicht und freuen uns als Kommunen über die aktuelle Lage bei RWE." RWE-Chef Schmitz hatte unlängst betont: "Potenzielle Zukäufe müssen sich daran messen lassen, ob sie mindestens die Rendite bringen wie Innogy."

Auch auf Seiten der Arbeitnehmer ist man überrascht. "Das passt doch nicht zur Logik des grünen Konzerns, der Innogy sein will", erklärte ein Arbeitnehmervertreter. Zugleich warnte er: "Wir würden uns das alles genau ansehen, die Mitbestimmung darf nicht leiden." Derzeit hält RWE knapp 77 Prozent der Innogy-Anteile. Sollte der Konzern die Beteiligung unter 50 Prozent senken, würden die beiden Unternehmen nicht mehr als ein Konzern gewertet werden; der Konzernbetriebsrat würde entfallen. Auch deshalb gibt es einen Aufsichtsrats-Beschluss, nach dem RWE zunächst nur die Freiheit hat, seine Innogy-Anteile bis auf 51 Prozent abzuverkaufen. An Mitbestimmungs-Streitfragen war auch der frühere RWE-Chef Jürgen Großmann öfter gescheitert. Sein Ziehsohn Peter Terium könnte womöglich Ähnliches erleben.

(anh)
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