Berlin/Mülheim Rewe will Handels-Hochzeit verhindern

Berlin/Mülheim · Die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ist perfekt. Der Käufer muss allerdings hohe Auflagen in Sachen Standort- und Beschäftigungssicherung erfüllen. Doch die Entscheidung wird scharf kritisiert.

Berlin/Mülheim: Rewe will Handels-Hochzeit verhindern
Foto: Radowski

Das Dokument, das die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch die Edeka erlaubt, ist 122 Seiten lang. In dieser Ministererlaubnis, so könnte man glauben, sei nach mehr als einem Jahr erbitterten Kampfes um diesen Deal alles gesagt, und man könnte das Verfahren abschließen. Aber das ist nicht so. Denn der Edeka-Konkurrent Rewe, der sich Kaiser's Tengelmann auch gern einverleibt hätte, will sich nicht geschlagen geben und beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel einlegen. Das hat Rewe-Chef Alain Caparros angekündigt.

Der Kampf ist also noch nicht zu Ende. Aber zumindest haben Edeka und Kaiser's den Segen des Wirtschaftsministeriums für ihre Hochzeit - wenn auch unter Auflagen. Gabriel begründete seine Entscheidung gestern damit, dass der Erhalt der Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte der Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann nur durch eine Gesamtübernahme durch Edeka wirkungsvoll zu realisieren sei. "Es geht um Menschen, die jedenfalls nicht zu den Gutverdienenden gehören", sagte Gabriel und verwies auf durchschnittliche Gehälter etwa für Verkäufer und Lagerarbeiter zwischen 1500 Euro "und ein bisschen mehr als 2000 Euro, brutto wohlgemerkt". Für ihn hätten die Gemeinwohlgründe die Wettbewerbsbeschränkungen überwogen. Die "kräftigen Nebenbestimmungen" würden dafür sorgen, dass Mitbestimmungsstrukturen und Qualität der Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Im Detail: Edeka muss nun rechtssichere Tarifverträge mit den Gewerkschaften eingehen, die Kaiser's-Märkte fünf Jahre in Eigenregie weiterführen und das Fleischwerk Birkenhof drei Jahre betreiben. Sollten einzelne Auflagen nicht erfüllt werden, droht Edeka eine Rückabwicklung der Fusion. Gabriel kündigte an, dass sein Ministerium Belege von Edeka über die Einhaltung der Auflagen einfordern und diese prüfen werde: "Es gibt keine Hintertür." Das gelte auch für eine Öffnungsklausel, die vorsieht, dass selbst innerhalb des fünfjährigen Moratoriums einzelne Filialen von Kaiser's Tengelmann an selbstständige Edeka-Einzelhändler gehen könnten. Dazu bedarf es stets der Zustimmung der Tarifparteien, also der Gewerkschafts- und der Arbeitnehmerseite.

Aber auch diese Einschränkungen verhindern nicht, dass an der Entscheidung des Wirtschaftsministers gestern scharfe Kritik laut wurde. Die einschneidendste Reaktion war sicherlich der Rücktritt von Daniel Zimmer, dem Vorsitzenden der Monopolkommission, die sich wie das Bundeskartellamt gegen die Fusion ausgesprochen hatte. Aber sie ist nicht die einzige. Rewe-Chef Caparros sprach von einer "schlechten Entscheidung für die Beschäftigten bei Kaiser's Tengelmann und zugleich für alle Verbraucher, für die kleinen und mittelständischen Lieferanten, für die Landwirtschaft und für den fairen und gesunden Wettbewerb im gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandel". Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Ralph Brinkhaus, bezeichnete die Erlaubnis als ordnungspolitisch sehr problematisch. "Schließlich erscheint die Sicherung von Wettbewerb im Lebensmittelsektor langfristig wichtiger als ein vergleichsweise kurzfristiger Erhalt von Arbeitsplätzen", sagte er. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärte: "Die ohnehin schon sehr große Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel nimmt durch diese Entscheidung weiter zu."

Ungeachtet der Kritik haben Edeka und Tengelmann erklärt, sie wollten Gabriels Auflagen schnell erfüllen. Dass sie die Entscheidung Gabriels begrüßen, ist naheliegend. "Wir freuen uns über die Ministererlaubnis", verkündete Edeka-Chef Markus Mossa. "Das ist ein guter Tag für unsere Beschäftigten", sagte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Sie hätten nun eine verlässliche Zukunftsperspektive.

Das gilt zumindest für die nächsten Jahre. Aber dass die Edeka sich auf Dauer 16.000 zusätzliche Arbeitsplätze ans Bein binden will, glaubt in der Branche niemand so recht. Insofern, so heißt es, sei der Stellenabbau bei Kaiser's Tengelmann "nur" für ein paar Jahre verschoben worden.

(RP)
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