Berlin Regierung entschärft Klimaschutz-Plan

Berlin · Nach langem Streit hat sich die Koalition geeinigt: Stromversorger müssen weniger Kohlendioxid sparen als geplant. Benzin- und Dieselmotoren werden 2030 nicht verboten. RWE ist erleichtert, der NRW-Umweltminister enttäuscht.

Berlin: Regierung entschärft Klimaschutz-Plan
Foto: Weber

Die ganz große Blamage bleibt aus: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) muss am Montag nicht mit leeren Händen zur Klimakonferenz nach Marrakesch fahren. Die Parteichefs Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) einigten sich gestern auf den "Klimaschutzplan 2050". Doch der Plan hat mit Hendricks ehrgeizigem Entwurf nichts mehr zu tun. Zwar bleibt es beim Ziel, dass Deutschland bis 2030 seinen Ausstoß an Treibhausgasen wie Kohlendioxid um 55 Prozent gegenüber 1990 senken muss. Gabriel zog mit Hilfe der Gewerkschaften und NRW dem Entwurf aber viele Zähne, um Jobs in der Braunkohle und den Dieselmotor zu erhalten.

Stromwirtschaft Der Plan enthält erstmals eine Auflistung, wie viele Treibhausgas-Emissionen die einzelnen Wirtschaftssektoren einsparen sollen. Diese Vorgaben wurden von Gabriel entschärft. Danach müssen die Versorger bis 2030 ihren Ausstoß um bis zu 62 Prozent senken (geplant waren bis zu 64 Prozent). Zudem sollen diese Einsparvorgaben noch mit den Sozialpartnern diskutiert und ab 2018 womöglich gesenkt werden.

Die sind froh über die vorgesehene Folgeabschätzung. Matthias Hartung, Chef der RWE-Tochter Generation, sagte unserer Redaktion: "Den Klimaschutzplan müssen wir erst im Detail bewerten, aber was wir erkennen: Er ist überaus ambitioniert. Schon heute langfristig verbindliche Festlegungen ohne eine Folgenabschätzung für alle Sektoren zu treffen, halten wir für problematisch." Wichtig sei es, die für Mitte des Jahrhunderts gesetzten Ziele zu erreichen und nicht jeden Schritt dahin minuziös schon heute festzulegen. "Man muss die Konsequenzen für Regionen, Beschäftigte und Unternehmen mit bedenken. Sonst besteht die Gefahr, dass so ein wichtiges Thema die Akzeptanz verliert." Dass man sich mit dem Strukturwandel in den Regionen beschäftigen will, knüpfe an die gelebte Praxis in NRW an.

Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) kritisierte dagegen: "Der Klimaschutzplan ist nichts als viel weiße Salbe. Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klimaziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen." Zwar werde bestätigt, dass die Kohleverstromung verringert werden müsse. Es bleibe aber vollkommen unklar, wie diese Schritte aussehen sollen.

Kohleausstieg Der Klimaplan nennt keinen Zeitpunkt für den Kohleausstieg, die Ausstiegs-Kommission ist vom Tisch. Hendricks wollte eine unabhängige Kommission, die rasch startet und den Titel hat "Klimaschutz, Wachstum, Strukturwandel, Vollendendung der Energiewende". Nun kommt eine Kommission, die erst nach der Bundestagswahl eingesetzt wird, beim Wirtschaftsministerium angesiedelt ist und den Titel trägt "Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung". Von Klimaschutz ist keine Rede mehr. Der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, ist erleichtert: "Der Klimaschutzplan bleibt eine Herausforderung. Umso wichtiger sind die eingezogenen 'Firewalls'. Das gilt insbesondere für die Kommission, deren wesentlicher Auftrag nunmehr eine ökonomische und soziale Folgenabschätzung ist."

Autofahrer Im Verkehr sollen die Emissionen um 42 Prozent sinken. Dazu sollen Motoren effizienter werden und mehr mit Ökostrom betriebene Elektroautos fahren. Das von Hendricks geplante Verbot von Diesel- und Benzinmotoren für Neuwagen ab 2030, das als Innovationspeitsche für die Autobranche dienen sollte, ist vom Tisch. Der Passus, dass alle Neuwagen grundsätzlich auch ohne fossile Kraftstoffe auskommen müssen, wurde gestrichen. Die Autoindustrie freut's.

Industrie Energieintensive Branchen (Stahl) atmen auf: Ihr Beitrag zum Sparen von Treibhausgasen wurde reduziert. Zudem strich Gabriel die Verschärfung des Emissionshandels. Hendricks wollte, dass sich die Regierung für einen Mindestpreis bei den Verschmutzungsrechten einsetzen. Derzeit ist der Preis so niedrig, dass die Industrie kaum Anreize zum Klimaschutz hat. Nun ist der Mindestpreis vom Tisch.

Hausbesitzer Während Versorger und Industrie weniger Kohlendioxid als zunächst geplant sparen müssen, müssen Hausbesitzer mehr sparen. Das ist just der Bereich, für den Bauministerin Hendricks verantwortlich ist. Heizungen, die ohne Öl und Gas auskommen, sollen nun stärker gefördert werden. Weitere Details sind offen.

(anh)
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