Essen/Bremen Razzia in Thyssenkrupp-Zentrale wegen Korruptionsverdacht

Essen/Bremen · Die Justiz weitet die Ermittlung gegen Ex-Compliance-Manager Kremer aus. Die Stahlgespräche mit Tata kommen indes gut voran.

Die Ermittlungen gegen den Telekom-Vorstand Thomas Kremer wegen möglicher Mitschuld an Korruption bei einer Tochterfirma seines früheren Arbeitgebers Thyssenkrupp weiten sich aus. Am 14. Juni hat die Staatsanwaltschaft Bremen die Zentrale von Thyssenkrupp in Essen durchsucht, um Material über Kremers bis 2012 währende Tätigkeit bei Thyssenkrupp als Chief-Compliance-Officer zu beschlagnahmen, also als Verantwortlicher für die Einhaltung von Recht und Gesetz im Unternehmen. Die Staatsanwaltschaft Bremen bestätigte unserer Redaktion die Razzia, ebenso Thyssenkrupp. "Für Thyssenkrupp hat die schnelle Aufklärung des Sachverhalts oberste Priorität. In ihrer Rolle als Gesellschafterin wird Thyssenkrupp daher die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen unterstützen", sagte ein Sprecher.

Als Reaktion auf die Hausdurchsuchung ließ Kremer unserer Redaktion die Zusammenfassung eines Gutachtens senden, demzufolge es abwegig wäre, ihn strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, nur weil es vor vielen Jahren beim mit Airbus gehaltenen Joint-Venture Atlas Electronics zu Bestechungszahlungen in Richtung Türkei gekommen war. Verfassser des Gutachtens ist der Konstanzer Strafrechler Hans Theile, Auftraggeber ist der Strafverteidiger von Thomas Kremer, der Düsseldorfer Staranwalt Sven Thomas.

Konkret geht es um den Verdacht, dass Atlas zwischen 1998 und 2014 türkische Militärs bestochen haben könnte, um Aufträge etwa für Torpedos zu erhalten. Die Ermittlungen gegen Kremer, promovierter Jurist, begründen die Staatsanwälte damit, dass er als früher für Compliance zuständiger Manager von Thyssenkrupp als Garant dafür geradestehen muss, dass im ganzen Unternehmen für sauberes Management gesorgt wird. Zudem unterstellen die Staatsanwälte es nach Informationen unserer Redaktion, dass Kremer als Compliance-Chef über fragwürdige Geschäfte informiert gewesen sein musste.

Für Kremer haben die Ermittlungen Folgen. Der Aufsichtsrat wird am 30. Juni darauf verzichten, Kremers in einem Jahr auslaufenden Vertrag schon jetzt zu verlängern. "Das wäre denkbar, um ihm in dieser Lage demonstrativ den Rücken zu stärken", sagte Frank Hülsberg von der Kanzlei Warth & Klein Grant Thornton. "Andererseits wäre es schon brisant, einen solchen Vertrag zu verlängern, während unklar ist, ob gegen Kremer möglicherweise doch noch eine Anklage kommt."

Unterdessen sind die Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss der europäischen Thyssenkrupp-Stahlsparte mit der indischen Tata weiter auf gutem Weg. Schon in wenigen Wochen könnten beide Seiten eine Absichtserklärung vereinbaren, berichtete das "Manager-Magazin" vorab. Zuerst hatte unsere Redaktion über die Pläne berichtet. Demzufolge sollen die Stahlgeschäfte ihrem Wert entsprechend in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden. Den Kern des Verbundes würden das Stahlwerk in Duisburg und die Tata-Anlage im niederländischen Ijmuiden bilden. Steel-Betriebsratschef Günter Back warnte gestern bereits vor möglichen Standortschließungen und betonte, dass für die 18.000 Thyssenkrupp-Steel-Beschäftigten ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis 2020 gilt.

(RP)
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