Kolumne Karsten Tripp Rasante Schussfahrt

Aktienkauf ist wie der Steilhang beim Skifahren. Nur wer keine Fehler macht, feiert am Ende die Siegerparty.

Noch ist es für einen Skiurlaub nicht zu spät. Und selbst wenn, wäre das den Finanzen in diesem Jahr nicht abträglich. Denn es hilft dem Verständnis, da wir uns den weiteren Jahresverlauf an den Kapitalmärkten vermutlich wie einen Steilhang vorstellen dürfen. Auf diesem Hang sind viele Tore sehr eng gesteckt. Für den Sportler heißt das: Es wird rasant, und nur wer den Kurs fehlerfrei absolviert, wird eine rauschende Siegesparty erleben. Wer ein Tor verpasst, steht dagegen mit leeren Händen da. Und wer in die Fangzäune fliegt, für den wird's richtig gefährlich.

Bedächtigere Naturen erwägen in einer solchen Situation, lieber die blaue Piste nebenan zu nehmen. Da ist die Talfahrt zwar langsamer, schont aber Nerven und Gesundheit. Zur Siegesparty sind solche Sportler allerdings niemals eingeladen. Auf der blauen Piste gibt es nichts zu gewinnen.

Warum ist der Börsenhang so steil? Weil die Wirtschaft weltweit kräftig wächst und die Notenbanken Investoren trotzdem weiter mit billigem Geld versorgen. Klingt nach großem Spaß - wenn da nicht die Tore wären. Und die steckt vor allem die Politik.

Die Präsidentwerdung des Unternehmers Donald Trump, Wahlen in den Niederlanden und vor allem in Frankreich, möglicherweise auch in Italien, haben allesamt das Zeug zu deftigen Überraschungen. Und das passiert allein im ersten Halbjahr. In der zweiten Hälfte kommen dann noch unsere Bundestagswahlen, dem Anschein nach mit sehr offenem Ausgang, und der 19. Parteitag der chinesischen KP, historisch oftmals von weitreichender Bedeutung.

Wer aus Furcht vor diesen Risiken sein Heil im Festgeld sucht, hat bereits verloren. Angesichts einer Geldentwertung von rund zwei Prozent und Zinsen von - mit viel Glück - einem halben Prozent nach Steuern schmilzt das Vermögen dahin. Darüber kann man sich ärgern und lautstark Herrn Draghi, den Chef der Europäischen Zentralbank, verantwortlich machen. Doch erstens ist dieser vermeintlich hellsichtige Blick vom Stammtisch allzu verzerrt. Und zweitens, viel wichtiger, schützt der Ärger nicht vor Geldentwertung.

Cleverer scheint mir, eine flexible Anlage zu wählen, die im richtigen Moment davon profitiert, Risiken einzugehen. Aktien erfüllen diese Voraussetzung. Den Aufschrei höre ich natürlich schon. Aktien! Viel zu teuer! Viel zu spät - alles gelaufen! Doch beim Anlegen schaden Emotionen nur, hilfreicher sind Fakten. Wer weiß schon, dass im Februar 2017 Aktien der Eurozone im Schnitt 40 Prozent tiefer stehen als am Höhepunkt 2000, japanische Aktien 47 Prozent tiefer notieren als bei ihrem Rekord 1989 und Aktien aus den Emerging Markets 32 Prozent billiger sind als beim Höchststand 2007?

Der US-Aktienmarkt, der größte der Welt, markiert bald jeden Tag einen neuen Rekord. Es gibt immer neue Kurssprünge, wann immer Trump moderatere Töne anschlägt. Das bedeutet aber auch: Die eigentlichen Triebkräfte bleiben Wachstum und Liquidität. Auch an einem steilen Hang kann man stehenbleiben, nur nicht aufwärts fahren. Was uns wiederum einen guten Hinweis auf ein mögliches Ende der Schussfahrt gibt: Wenn gute Nachrichten nicht mehr zu höheren Kursen führen, sind wir in der Auslaufzone. Dann heißt es, zur Seite treten, besser wird's nicht mehr.

Bis dahin gilt: keine Angst vor bekannten Risiken, die sind in den Kursen schon gespiegelt. Ein geübter Sportler bewältigt auch einen engen Kurs. Nur wenn Unvorhergesehenes dazwischenkommt, empfiehlt es sich auszusteigen. Dann kommt der Skeptiker in mir zu seinem Recht, der sagt: lieber nichts gewinnen als viel verlieren. Aktien sind dann ins langweilige Festgeld zu tauschen. Aber jetzt heißt es vor allem, den Start nicht zu verpassen.

DER AUTOR IST LEITER DER VERMÖGENSVERWALTUNG DER HSBC DEUTSCHLAND

(RP)
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