Bad Neuenahr Wenn der Postmann wieder klingelt

Bad Neuenahr · Der vierwöchige Streik bei der Deutschen Post wird in der Nacht zu morgen beendet.

Dass Tarifverhandlungen mitunter recht hitzig geführt werden, dürfte bekannt sein. Bei dieser Feststellung geht es in der Regel jedoch mehr um die Gesprächs- als die Raumtemperatur. Anders bei den jüngsten Tarifverhandlungen zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Deutschen Post. Die liefen am Freitag unter erschwerten Bedingungen im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr an. Bei sommerlichen Temperaturen von nahezu 40 Grad hatten die Verhandlungsteams zunächst in unklimatisierten Räumen tagen müssen. Man habe jedoch nach einiger Zeit auch in Räume mit Klima-Anlage ausweichen können, erklärte ein Verdi-Sprecher.

Doch auch wenn die Sommerhitze erträglicher wurde, so richtig frischer Wind kam zunächst nicht in die festgefahrenen Verhandlungen. Aus den ursprünglich zwei wurden am Wochenende drei Verhandlungstage. Erst gestern Abend um 18.30 Uhr konnten Verdi-Vorstandsmitglied Andrea Kocsis und Post-Personalchefin Melanie Kreis endgültig Entwarnung geben: Der vierwöchige Poststreik soll heute um Mitternacht beendet werden. "Wir konnten ein Gesamtpaket vereinbaren, das unseren Mitarbeitern Sicherheit und Perspektive bietet sowie gleichzeitig künftiges Wachstum ermöglicht", sagte Personalchefin Kreis. Übersetzt heißt dies: Verdi akzeptiert die neue, günstigere Gesellschaft, in der die Paketzusteller nach dem günstigeren Logistiktarifvertrag bezahlt werden. Im Gegenzug sagt die Post den derzeit noch im Konzern angestellten rund 7700 Paketzustellern zu, dass sie auch weiterhin im Konzern bleiben. "Das ist für die Betroffenen von großer Wichtigkeit", betonte Kocsis. Nur wer neu bei der Post anfängt, muss bei einer der 49 regionalen Billig-Gesellschaften DHL Delivery anheuern. Verdi lässt sich die Zustimmung zu dem unliebsamen Konstrukt auch mit Zusagen für andere Berufsgruppen abkaufen: So bleiben Kündigungen bei der Post bis Ende 2019 ausgeschlossen. Die Vergabe von Brief- oder kombinierten Brief- und Paketzustellungen an Fremdfirmen sind bis Ende 2018 nicht möglich.

Die Ausgründung war der zentrale Streitpunkt der Auseinandersetzung. Da es sich allerdings dabei um eine unternehmerische Entscheidung handelte, waren Verdi streiktechnisch die Hände gebunden. Die Gewerkschaft behalf sich mit einem Trick und kündigte die Tarifverträge für Lohn und Arbeitszeit, forderte 5,5 Prozent mehr Geld und eine Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich.

Die verkürzte Arbeitszeit spielte bei der Vorstellung des gestrigen Tarifergebnisses keine Rolle mehr. Allerdings setzte die Dienstleistungsgewerkschaft ein moderates Gehaltsplus durch: Für die 140 000 Tarifbeschäftigten gibt es zunächst im Oktober eine Einmalzahlung von 400 Euro, ein Jahr später steigen die Löhne um zwei Prozent, im Jahr darauf noch einmal um 1,7 Prozent. Die lange Laufzeit ist ganz im Sinne der Konzernführung, hat er so Planungssicherheit und wird wieder als verlässlicher Partner wahrgenommen.

Auch die Gewerkschaft selbst musste ein Interesse daran haben, den schwierigen Konflikt schnell beizulegen. Der vier Wochen dauernde Streik kostet Verdi nach Einschätzung des Tarifexperten Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft rund 30 Millionen Euro. Zusammen mit den Arbeitsniederlegungen der vergangenen Wochen in den Kindergärten komme Verdi auf Ausgaben von mehr als 40 Millionen Euro, sagte er der "Welt am Sonntag". Trotzdem sei die Streikkasse der Gewerkschaft immer noch gut gefüllt.

(maxi)
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