OECD-Studie Alleinstehende Deutsche zahlen weltweit die zweithöchsten Abgaben

Berlin · Deutschland hat mit 49 Prozent die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast aller Industrienationen. Nur in Belgien ist der Wert höher. Das ergab eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

 Die diesjährige Steuererklärung, hier auf einem Schreibtisch in Berlin zu sehen, muss Ende Mai abgegeben werden (Symbolfoto).

Die diesjährige Steuererklärung, hier auf einem Schreibtisch in Berlin zu sehen, muss Ende Mai abgegeben werden (Symbolfoto).

Foto: dpa, hwi pzi tba

Ein alleinstehender Durchschnittsverdiener in Deutschland musste der OECD-Studie zufolge im vergangenen Jahr 49,4 Prozent des Arbeitseinkommens abgeben. Damit liegt die Quote hierzulande deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 36 Prozent - und ist zudem unter den 35 Mitgliedsländern der Industriestaaten-Organisation die zweithöchste. Nur in Belgien ist sie noch höher, dort werden insgesamt 54 Prozent des Arbeitseinkommens abgegeben.

Die Steuer- und Abgabenlast errechnet die OECD als den Anteil von Steuern sowie Sozialabgaben der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an den gesamten Arbeitskosten. Der OECD-Durchschnittswert von 36 Prozent ging 2016 um 0,1 Prozentpunkte zurück. Das sei vor allem das Resultat von Reformanstrengungen in einigen wenigen Ländern, sagte OECD-Experte Pascal Saint-Amans.

Steuersenkungen könnten Saint-Amans zufolge vor allem im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen Arbeitsanreize schaffen. In Deutschland hat sich diese Steuer- und Abgabenlast bei alleinstehenden Durchschnittsverdienern seit 2013 um 0,2 Prozentpunkte erhöht. Seit dem Jahr 2000 ist sie allerdings um 3,5 Punkte gesunken.

Wirtschaft und Wissenschaft drängen deshalb darauf, den Anstieg zu deckeln und so die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern. "Ein weiterer Anstieg würde Beschäftigung und Wachstum stark gefährden", sagte etwa Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Vor allem bei den Sozialversicherungszweigen und bei den Steuern gebe es Handlungsbedarf, so Kramer. Zu viele Beschäftigte, die nur leicht oberhalb des Durchschnitts verdienen, seien vom Spitzensteuersatz betroffen.

Für einen verheirateten Alleinverdiener mit zwei Kindern sieht es der OECD-Statistik zufolge durch Zuschüsse wie Kindergeld und Steuervorteile besser aus. Sein Arbeitseinkommen wurde 2016 mit 34 Prozent belastet, was dem neunthöchsten Wert der OECD-Staaten entspricht. Allerdings liegt die Belastung in Deutschland bei allen Haushaltstypen über dem OECD-Durchschnitt. Die Ursache dafür sind der Organisation zufolge vor allem die hohen Sozialabgaben für Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Am meisten von der Steuer- und Abgabenlast sind indes Durchschnittsverdiener betroffen. Das geht aus einem Gutachten des Essener Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor. Demnach werden Haushalte mit Einkommen zwischen 40.000 und 80.000 Euro am höchsten belastet. Bei darüber liegenden Einkommen sinke die Quote sogar leicht. "Die Belastung der Bürger ist deutlich höher, als uns vorher bewusst war", sagte RWI-Chef Christoph Schmidt.

Wie das Statistische Bundesamt zudem erklärte, hat sich Arbeit in Deutschland zuletzt fast doppelt so stark verteuert wie im gesamten Euro-Raum. 2016 kletterten die Kosten je Stunde im Produzierenden Gewerbe und bei den Dienstleistern um durchschnittlich 2,5 Prozent auf 33,40 Euro, so das Bundesamt. In der Euro-Zone erhöhten sich die Arbeitskosten hingegen nur um 1,3 Prozent auf 30 Euro.

Im Verarbeitenden Gewerbe, das besonders stark im internationalen Wettbewerb steht, kostete eine Arbeitsstunde in Deutschland durchschnittlich 38,70 Euro, was der vierthöchste Wert in der gesamten Europäischen Union ist und 47 Prozent über dem EU-Schnitt (26,40 Euro) liegt.

(kess/REU)
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