Studie Nur jeder Sechste ist Gewerkschafter

Düsseldorf · Das Institut der deutschen Wirtschaft beleuchtet die Struktur des DGB nach Regionen. Im Westen sind die Organisationen stärker, aber weniger weiblich.

Nur jeder Sechste ist in einer Gewerkschaft
Foto: Ferl

Als die große Koalition die Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Konzerne einführte, war die Resonanz der Gewerkschaften verhaltener, als sich mancher Sozialdemokrat gewünscht hatte. Die Organisationen zweifelten daran, genügend weibliches Personal für die Aufsichtsgremien zu haben. Dass vor allem die Industriegewerkschaften immer noch echte Männerhorte sind, kann man bei so gut wie jeder Betriebsrätekonferenz beobachten.

Dies wird jetzt durch eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für dessen Fachpublikation "Gewerkschaftsspiegel" untermauert. Der IW-Tarifexperte Hagen Lesch hat die Zusammensetzung der DGB-Gewerkschaften bezüglich ihres Frauenanteils und Organisationsgrads untersucht. Ende 2014 hatten demnach die acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften 6,1 Millionen Mitglieder, nur zwei Millionen davon waren weiblich. Allerdings gibt es beim Anteil der Gewerkschafterinnen regionale Unterschiede: Im Westen sind es 31,2 und im Osten 42,7 Prozent. Am weiblichsten sind die DGB-Gewerkschaften mit 44,7 Prozent in Berlin, gefolgt von Sachsen-Anhalt (43,7) und Brandenburg (43,3). Die geringsten Frauenanteile weisen das Saarland (25,9), Bayern (29,3) und Bremen (29,9) auf.

Spannend, weil ausschlaggebend für die Schlagkraft, ist der Organisationsgrad. Der betrug im Schnitt 15,9 Prozent. Damit war gerade einmal jeder sechste Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft. Allerdings verweist Lesch auch hier auf große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Der Tarifexperte hat als Datenbasis die von den Landesbezirken veröffentlichten Mitgliederzahlen herangezogen. Da aber ein Bundesland wie NRW absolut betrachtet natürlich deutlich mehr Mitglieder aufweist als das Saarland, hat das IW den gewerkschaftlichen Brutto-Organisationsgrad benutzt. Er gibt den prozentualen Anteil aller Gewerkschaftsmitglieder an den Arbeitnehmern an. Im Unterschied zum Netto-Organisationsgrad enthält er auch nicht-erwerbstätige Mitglieder - also auch Rentner, Studenten oder Arbeitslose. Würde man hingegen nur die Gewerkschaftsmitglieder, die noch im Berufsleben stehen, berücksichtigen, dürfte der Organisationsgrad noch einmal niedriger liegen.

Auffällig schwach ausgeprägt ist der Organisationsgrad im Osten der Republik mit 14,6 Prozent (der Westen kommt auf 16,2 Prozent). Einzig Sachsen-Anhalt liegt mit 16,6 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 15,9 Prozent. Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern mit 11,7 Prozent. Es finden sich aber auch westdeutsche Länder wie Bayern (12,7) unter den Schlusslichtern. Dass sich das Saarland (28,2) und Bremen (24,8) am oberen Ende der Liste befinden, liegt übrigens an einer juristischen Besonderheit: "Die hohen Organisationsgrade könnten mit der Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer in den dortigen Arbeitskammern zusammenhängen", mutmaßt Lesch. Diese Kammern sind öffentlich-rechtliche Körperschaften zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in Politik und Wirtschaft. Sie führen keine Tarifverhandlungen und dürfen auch nicht streiken. Dadurch treten sie nicht in Konkurrenz zu den Gewerkschaften auf, sondern arbeiten oft mit ihnen zusammen. "Dies dürfte die Beitrittsneigung steigern", erklärt Tarifexperte Lesch.

(maxi)
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