Digital-Offensive NRW fehlt der digitale Durchblick

Düsseldorf · Vor 18 Monaten kündigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Landtag eine große Digital-Offensive an. In einer Großen Anfrage forderte die FDP nun einen Zwischenbericht. Ihr Urteil: Krafts Politik sei eine "digitalpolitische Bankrotterklärung".

Soll niemand sagen, die Landesregierung treibe den Ausbau schneller Verbindungen nicht voran: Am Montag wird Hannelore Kraft beim Spatenstich für den Weiterbau eines Radschnellwegs ein Grußwort sprechen. Auch Verkehrsminister Michael Groschek (beide SPD) wird in Mülheim an der Ruhr, der Heimatstadt der Ministerpräsidentin, erwartet.

Der Ausbau ist eine gute Nachricht für alle Radfahr-Freunde im Land. Sie sind künftig schneller im Ruhrgebiet unterwegs als - überspitzt gesagt - so manche E-Mail in Kerken (Kreis Kleve). Dort haben nur zwei Prozent der Haushalte einen Breitbandanschluss. Schlechter ist die Versorgung nur in Tecklenburg im Kreis Steinfurt.

Eigentlich hatte die Ministerpräsidentin im Januar 2015 im Landtag eine digitale Aufholjagd angekündigt. Doch nicht nur der Ausbau des schnellen Internets kommt bloß langsam voran. 18 Monate nach Krafts Rede im Landtag fällt die Opposition ein vernichtendes Fazit: Kraft Kabinett habe eine "digitalpolitische Bankrotterklärung" abgeliefert, kritisiert Marcel Hafke, Sprecher für Digitales und Gründungskultur der FDP. Die Antwort auf eine Große Anfrage der FDP zeige deutlich, dass weder entscheidende Fortschritte bei der Digitalisierung erreicht, noch neue kraftvolle Projekte angeschoben wurden.

Breitband Bis 2018 sollen in Deutschland alle Bürger Zugang zu schnellem Internet, also einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde, haben. NRW startete aufgrund geographischer Vorteile von einer guten Ausgangsposition. Im vergangenen Jahr hatten 75,3 Prozent der Haushalte einen Breitband-Zugang. Bereits Mitte 2014 lag die Versorgung allerdings bei 70,7 Prozent. "Die Versorgung von NRW wurde gerade mal um gut fünf Prozentpunkte verbessert", kritisiert Hafke. Um das Ziel bis 2018 noch zu erreichen, müsste die Ausbaugeschwindigkeit verdreifacht werden.

Die Landesregierung betont in ihrer Antwort auf die Große Anfrage, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt, allerdings, dass die Fördermittel deutlich aufgestockt wurden. Damit könnte sich der Ausbau beschleunigen. Internet Gleichzeitig gibt es jedoch Baustellen, die deutlich leichter zu schließen sind - und weniger Geld kosten; zum Beispiel das Anbieten von freiem Wlan. Bei einem Besuch in Estland hatte sich Hannelore Kraft zuletzt Nachhilfe bei der Digitalisierung geholt. Immerhin gilt das baltische Land als einer der Vorreiter. Praktisch alle in Estland sind online, auch die Behörden: Nummernschilder beantragen, Steuererklärungen abgeben oder wählen - geht alles per Internet.

In NRW hinkt man der Entwicklung hingegen hinterher. Bislang lassen sich Behördengänge kaum per Internet erledigen, bis es soweit ist, dürfte noch einige Zeit vergehen. Erst im Dezember hatte die Landesregierung den Entwurf eines E-Government-Gesetzes eingebracht. "Seine ganze und umfassende Wirkung wird das Gesetz in den kommenden Jahren entfalten", heißt es in der Antwort auf die Anfrage.

Andere Baustellen könnten schneller behoben werden. Doch in den meisten Ministerien können sich Besucher nicht mal kostenlos ins Wlan einwählen. Nur die Minister Garrelt Duin und Franz-Josef Lersch-Mense (Wirtschaft bzw. Europa und Medien) bieten neben der Staatskanzlei Besuchern einen kostenlosen Wlan-Zugang an.

In ihrer Antwort auf die FDP-Anfrage betont die Landesregierung, dass man sich auf Bundesebene als einer der ersten für eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen stark gemacht habe, so dass Privatleute inzwischen rechtssicher ein freies Wlan anbieten können. Ab Herbst können Restaurants, Gaststätten und Cafés rechtssicher offene Netze anbieten - ob die Ministerien dann mitziehen? Bildung Es ist einer der Bereiche, wo Landespolitiker am unmittelbarsten wirken können - denn Schulpolitik ist Ländersache. Das Schulministerium hat in diesem Bereich schon einige Dinge angestoßen, zum Beispiel das Pilotprojekt "Informatik an Grundschulen", wo Kinder beispielsweise erste Erfahrungen mit Kryptografie sammeln können. Mit dem Dialogprozess "Lernen im Digitalen Wandel" will die Landesregierung zudem politische Maßnahmen entwickeln, um die Bildung - von der Ausbildung bis zur Weiterbildung - besser auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung auszurichten. Das Leitbild soll im Sommer verabschiedet werden. Marcel Hafke kritisiert: "Das sind alles Ankündigungen von Strategien, Leitbildern etc. Wann kommen Taten?" Dialog Für Ärger sorgt bei der FDP auch die Antwort auf ihre Frage nach der Gesprächsreihe "Digitaler Aufbruch". In ihrer Regierungserklärung hatte Hannelore Kraft davon gesprochen, mit Vertretern aus der Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Wissenschaft über die digitale Transformation zu sprechen.

Neun Treffen haben laut Antwort der Landesregierung bereits stattgefunden. Mit wem und worüber geredet wurde? Das will die Landesregierung nicht sagen. "Die Gespräche fanden als vertrauliche Gesprächsrunden statt und sind einer öffentlichen Dokumentation daher nicht zugänglich", heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Ergebnisse seien jedoch sehr wohl in die Arbeit an den einzelnen Projekten von Rot-Grün eingeflossen.

"Das heißt doch: Hier ist nichts passiert, außer vielleicht einiger ohnehin regelmäßig stattfindender Gespräche", kritisiert FDP-Politiker Hafke: "Wo ist der Aufbruch?"

(frin)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort