Berlin Nahles will den Acht-Stunden-Tag aufweichen

Berlin · Die Bundesarbeitsministerin legt heute einen Bericht über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt vor.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) reagiert auf das veränderte Arbeiten durch die Digitalisierung und will Beschäftigten und ihren Arbeitgebern rechtlich die Möglichkeit einräumen, Arbeitszeiten und Arbeitsorte jenseits des Acht-Stunden-Tages frei festzulegen. Allerdings soll es das neue "Wahlarbeitsgesetz" zunächst nur befristet für zwei Jahre geben, wie aus dem Weißbuch "Arbeiten 4.0" hervorgeht, das Nahles heute in Berlin präsentiert. Auf 234 Seiten beschäftigt sich der Bericht damit, wie sich die Digitalisierung auf Arbeitsmarkt und Gesellschaft in den kommenden Jahren auswirkt.

Computer und Roboter haben das Arbeiten bereits nachhaltig verändert. In den kommenden Jahren wird sich die digitale Transformation jedoch vor allem in der Industrie beschleunigen. Für die einen sei sie "Verheißung und Lebensgefühl, für die anderen bedeutet sie Unsicherheit", schreibt Nahles im Vorwort des Berichts. Er ist das Ergebnis eines monatelangen Dialogprozesses mit Sozialpartnern, Unternehmen, Verbänden und Wissenschaftlern.

Unterm Strich werde die Digitalisierung nicht zu einer massenhaften Automatisierung und dem Verlust von Arbeitsplätzen führen, meint Nahles. Allerdings seien manche Branchen von der Digitalisierung besonders betroffen. So würden etwa im Einzelhandel Jobs abgebaut, im Online-Handel aufgebaut. Betroffene Branchen müssten mehr in die Qualifizierung investieren. Im Bericht kündigt Nahles unter anderem an, ein Recht auf befristete Teilzeit einzuführen.

"Digitalisierung bietet die Chance auf eine selbstbestimmtere Arbeitswelt 4.0", schreibt Nahles, "Dabei müssen jedoch Interessen- und Zielkonflikte austariert werden." Grundlegend sei der "gesetzlich verankerte Schutz vor Entgrenzung und Überforderung". Es gebe ein wachsendes Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Zeitsouveränität.

Das könnte "mittelfristig in einem neuen Wahlarbeitsgesetz verankert werden", heißt es im Bericht. "Dieses Gesetz könnte mehr Wahloptionen für Beschäftigte bei Arbeitszeit und -ort mit einer konditionierten Möglichkeit der Abweichung von geltenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes kombinieren." Das befristete Gesetz solle durch "betriebliche Experimentierräume" erprobt werden. Dabei könnten unter bestimmten Voraussetzungen die derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes - vor allem die Tageshöchstarbeitszeit - umgangen werden. Bisher geht der Gesetzgeber von einem Acht-Stunden-Tag und sechs Werktagen in der Woche aus. Die werktägliche Arbeitszeit kann auf zehn Stunden ausgeweitet werden, muss aber innerhalb eines halben Jahres auf durchschnittlich acht Stunden ausgeglichen werden.

Für die Arbeitgeber geht Nahles hier noch nicht weit genug, die Gewerkschaften wittern eine Ausweitung der Arbeitszeit durch die Hintertür. Die Grünen forderten Nahles auf, auf die Befristung des Wahlarbeitsgesetzes zu verzichten.

(mar)
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