Düsseldorf Millionenstrafen für den Einzelhandel

Düsseldorf · 90,5 Millionen Euro müssen Edeka, Metro und Co. zahlen, weil sie illegal mit der Brauerei Anheuser-Busch InBev die Preise für Bier abgesprochen haben. Verlierer sind die Verbraucher: Sie haben jahrelang zu viel bezahlt.

Das Jahr 2010 war gerade mal zwei Wochen alt, als 56 Mitarbeiter des Bundeskartellamtes und 62 Polizisten an einem Donnerstag ausrückten und 15 Firmenzentralen durchsuchten. Die Adress-Liste las sich wie das Who-is-who des deutschen Handels: Rewe, Metro, Edeka, Lidl und Rossmann, dazu Hersteller wie Mars, Fressnapf und Haribo. Es ging um Preisabsprachen. Mal wieder. Denn kurz zuvor hatte das Kartellamt eine Millionenstrafe gegen Kaffeeröster verhängt. Das Urteil sorgte für Schlagzeilen. Doch dieser Fall, das wurde schnell klar, würde eine Nummer größer sein.

Sechs Jahre sind die Untersuchungen inzwischen her, nun steht fest: Die Handelsketten haben jahrelang mit dem Brauerei-Riesen Anheuser-Busch InBev Preise abgesprochen und Kunden geschädigt. Wer die Bier-Marken Beck's, Franziskaner oder Hasseröder gekauft hat, dürfte mehr bezahlt haben als nötig. "Die betroffene Brauerei hat beim Absatz ihrer wichtigsten Biermarken mehrfach Erhöhungen der Ladenpreise mit den Händlern abgesprochen", sagt Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

Die Behörde verhängte deswegen ein Bußgeld von 90,5 Millionen Euro gegen die Unternehmen. Insgesamt summieren sich die Strafen in diesem Verfahren, das mit den Durchsuchungen 2010 seinen Anfang nahm und sich um Kaffee, Süßwaren, Tiernahrung, Bier und Körperpflegeprodukte drehte, damit auf 242 Millionen Euro.

Zentraler Angelpunkt sei im aktuellen Fall die Brauerei gewesen: Anheuser-Busch InBev habe die Einzelheiten, etwa die Stichtage und die Höhe der jeweiligen Preisanhebung, zwischen den Firmen koordiniert. Zwischen 2006 und dem Februar 2009 habe die Brauerei so verhindert, dass die Preise durch den Preiskampf zwischen den Supermarkt-Ketten deutlich sanken. "Die Händler hatten die Erwartungshaltung, dass die Brauerei dafür sorgt, dass die Erhöhung gleichzeitig auch bei konkurrierenden Händlern umgesetzt wird", so Mundt.

Wie groß der Schaden für den Verbraucher ist, lässt sich allerdings nur schwer sagen. "Wir müssten errechnen, wie die Preise ohne Absprache gewesen wären", sagt ein Sprecher des Kartellamtes: "Das wäre viel Kaffeesatzleserei." Glücklicherweise brauche man im Kartellrecht keine konkreten Schadenssummen, andernfalls wäre das Vorgehen gegen Verstößen sehr schwer.

Das Verfahren zählt zu den bislang aufwendigsten des Kartellamtes, wohl auch, weil es sich um einen Vertikalfall handelt. Anders als in früheren Verfahren, wo es um Absprachen zwischen Händlern ging, geht es diesmal um Absprachen von Händlern mit Produzenten.

Hinweise, dass es diese gibt, hätten sich aus früheren Verfahren ergeben, heißt es - denn die Brauerei-Branche ist kein unbeschriebenes Blatt. Bereits 2014 wurden mehrere Hersteller wegen illegaler Preisabsprachen untereinander, die es parallel auch gab, zu einer Strafe von rund 340 Millionen Euro verdonnert.

Die Beweisführung gelang diesmal am Ende auch, weil sich Rewe geständig zeigte. Dafür kommt die Supermarkt-Kette ohne Bußgeld davon. Schon 2010 hatte Mundt die mutmaßlichen Täter ermuntert, gegen die anderen auszusagen. Denn eigentlich gibt es bei Vertikalverfahren keine Kronzeugenregelung. "Soweit Unternehmen oder Personen bei der Aufklärung der Vorwürfe mit uns kooperieren, wird das Bundeskartellamt dies im Rahmen seines Ermessens bei der Verhängung von Geldbußen berücksichtigen", teilte die Behörde deshalb damals mit.

Parallel zu diesem Fall wurden auch gegen den Discounter Lidl und den Süßwarenhersteller Haribo sowie gegen den Kaffeefilter-Hersteller Melitta und die Drogeriekette Rossmann Bußgelder wegen Preisabsprachen verhängt.

Akzeptiert haben die Bestrafung fast alle Beteiligten, drei weitere Verfahren sind noch offen. Bis auf Rossmann stimmten sie einem Vergleich zu. Die Drogeriekette geht hingegen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Bestrafung vor.

(frin)
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