Lutz Goebel "Migranten bei erfolgreicher Ausbildung von Steuer befreien"

Der Chef der "Familienunternehmer" fordert neue Wege in der Flüchtlingspolitik. Betriebe sollen 1000 Euro Lohnkostenzuschuss erhalten.

Wie beurteilen Sie die aktuelle deutsche Wirtschaftspolitik?

Goebel Bundesarbeitsministerin Nahles ist dabei, die Agenda 2010 zurückzudrehen, die den Betrieben viel Flexibilität gebracht hat. Die Reformen haben hunderttausende zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Nun sollen die Betriebe wieder stranguliert werden: Frau Nahles will die befristete Beschäftigung und Zeitarbeit wieder eindämmen. Dabei verlangt die Digitalisierung, dass Betriebe schnell und flexibel reagieren können. Doch die Arbeitsministerin denkt immer noch in den Kategorien der Fließbandarbeit aus den 60er Jahren. Sie ist noch überhaupt nicht im digitalen Zeitalter angekommen.

Nahles' Mindestlohn hat bislang, anders als die Wirtschaft vorhergesagt hat, aber kaum Jobs vernichtet.

Goebel Die schädlichen Wirkungen des Mindestlohns werden derzeit noch durch die drei Drogen überdeckt, die die deutsche Wirtschaft puschen: niedriger Euro-Kurs, niedriger Ölpreis und niedrige Zinsen. Langzeitarbeitslose haben durch den Mindestlohn weiter kaum Chancen auf eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Sind Sie enttäuscht, dass die Kanzlerin Nahles nicht bremst?

Goebel Es ist bedauerlich, dass die Union die SPD Unfug machen lässt. Die Kanzlerin kümmert sich zu wenig um die Wirtschaftspolitik ihrer Regierung.

Tut die Wirtschaft genug, um die Flüchtlinge zu integrieren?

Goebel Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern zeigt, dass ein Fünftel gerne Flüchtlinge einstellen will. Jedoch ist die Qualifikation vieler Flüchtlinge gering. Ein syrischer Ingenieur kann möglicherweise meist nicht mehr als ein deutscher Kfz-Mechaniker. Bis zu 20 Prozent der Flüchtlinge sollen Analphabeten sein.

Was kann der Staat tun?

Goebel Damit die Unternehmen Flüchtlinge einstellen und sich um deren Spracherwerb und Qualifizierung kümmern können, fordern wir Qualifizierungszuschüsse. Der Staat sollte rund 1000 Euro pro Monat und Flüchtling zahlen, dann können wir Flüchtlinge im Betrieb qualifizieren. Zudem muss es für Flüchtlinge möglich sein, über ein längerfristiges Praktikum Berufserfahrung zu sammeln, ohne dass die Betriebe den Mindestlohn zahlen müssen.

Kann Deutschland denn eine Million Flüchtlinge pro Jahr verkraften?

Goebel Nein, eine Million Flüchtlinge jedes Jahr überfordern auf Dauer unser Land. Die EU muss ihre Außengrenzen besser sichern. Zugleich sollten die Migranten mehr für ihre Integration tun. Wer nach Wegfall des Fluchtgrundes hier bleiben möchte, muss sich seinen Aufenthaltsstatus erarbeiten.

Wie könnte das konkret aussehen?

Goebel Wer eine Ausbildung abschließt oder nachweist, dass er ein neues Sprachniveau erreicht hat, bekommt Punkte. Je mehr Punkte eine Person hat, desto länger darf sie bleiben. Ebenso kann der Familiennachzug an den Punkteerwerb geknüpft werden: Je besser ein Asylant Deutsch kann oder sich fortgebildet hat, desto eher darf er Familienmitglieder nachholen. Schließlich kann er dann potenziell mehr Köpfe ernähren.

Fordern und Fördern also?

Goebel Genau. Um weitere Ausbildungsanstrengungen nicht nur bei Migranten zu fördern, kann man auch über eine komplette Befreiung von der Einkommensteuer nachdenken: Wenn die Kinder einen Schulabschluss schaffen, wird der Familie zeitlich befristet die Steuer erlassen. Über dieses Instrument sollte man auch für inländische Hartz-Bezieher nachdenken.

M. BRÖCKER, A. HÖNING UND M. KESSLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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