Michael Kemmer vom Bankenverband "Die Zahl der Bankfilialen wird weiter sinken"

Düsseldorf · Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer, sprach mit unserer Redaktion über Flüchtlinge als Bankkunden, Griechenland und die hohen Dispozinsen der Banken

Das sind die spektakulärsten Bankensitze weltweit
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Fast eine Million Flüchtlinge kommen in diesem Jahr neu nach Deutschland. Ist das eine neue Kundengruppe für die Banken?

Kemmer Noch ist das kein Thema für uns. Und auch die Flüchtlinge, die zu uns kommen, haben zunächst einmal dringendere Fragen zu klären, als ein Konto zu eröffnen. Banken und Sparkassen sind ja verpflichtet, für die Einrichtung eines Kontos einen Identitätsnachweis zu verlangen. Aufenthaltsgestattungen nach dem Asylverfahrensgesetz sind in Deutschland bereits heute als geeignetes Legitimationspapier anerkannt.. Unabhängig von der Flüchtlingsfrage hat die Kreditwirtschaft schon seit 1995 das so genannte Konto für Jedermann — ein Guthabenkonto — auf freiwilliger Basis eingeführt.. Künftig wird das durch den aktuellen Gesetzentwurf für ein Zahlungskontengesetz auch gesetzlich vorgeschrieben sein. Das gilt natürlich auch für Flüchtlinge.

Der Bundestag hat in dieser Woche das dritte Hilfspaket für Griechenland beschlossen. War das die richtige Entscheidung?

Kemmer Ja, denn was wäre die Alternative gewesen? Ein Grexit ist die schlechtere Lösung. Wir sind mit dem Thema Griechenland aber noch lange nicht durch. Es geht jetzt erst richtig los. Es liegt nun an der neuen griechischen Regierung, nach den Neuwahlen am 20. September Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen und die vereinbarten Reformen ernsthaft umzusetzen.

Was würde es für die Finanzmärkte bedeuten, wenn sich der IWF im Herbst nicht am dritten Hilfspaket beteiligt?

Kemmer Das Thema Griechenland ist für die Finanzmärkte kein großes Thema mehr. Die Forderungen an den griechischen Staat und die griechischen Banken sind überwiegend abgeschrieben. Trotzdem ist Griechenland für Europa ein wichtiges Thema und es wäre schlecht, wenn der IWF nicht mehr mit an Bord wäre. Der IWF ist ein starkes disziplinierendes Element.

Ist schon deutsches Steuerzahlergeld verloren gegangen in Griechenland?

Kemmer Momentan ist noch kein Geld verloren, aber die Haftungssummen für die Steuerzahler steigen. Wenn es Athen wirklich ernst meint mit den Strukturreformen, wird sich meines Erachtens niemand einer vernünftigen Restrukturierung der Schuldenlast verweigern. Es gibt ernst zu nehmende Stimmen wie den IWF, die sagen, die Schuldentragfähigkeit bei Griechenland ist nicht mehr gegeben. Das kann man nicht von der Hand weisen. In welcher Form man Griechenland Schulden abnimmt — ob man die Kreditrückzahlung um Jahrzehnte hinausschiebt oder einen echten Schuldenschnitt macht — darüber wird dann zu reden sein. Aber die Schrittfolge ist entscheidend: Erst muss Athen in Vorleistung gehen — also nachhaltige Reformen umsetzen, dann kann die Gegenleistung der europäischen Partner kommen.

Anders als Griechenland kann China die Finanzmärkte erschüttern. Müssen wir uns wegen Chinas Wachstumsschwäche auf einen dauerhaften Abwärtstrend der Weltwirtschaft einstellen?

Kemmer Es sieht so aus, als ob Chinas Wachstumsraten deutlich zurückgehen. Das wird sicher die globale Wachstumsdynamik dämpfen und auch die deutsche Konjunktur nicht unbeeinflusst lassen, denn viele Schlüsselindustrien exportieren sehr stark nach China. Das wird aber kaum den aktuellen Aufschwung hierzulande gefährden. Denn es gibt ja auch gegenläufige Tendenzen, die US-Konjunktur läuft zum Beispiel gut.

Aber für Aktienanleger sind die Zeiten der Euphorie vorbei?

Kemmer Wir sind in einer unruhigen, aber auch spannenden Situation an den Börsen. Es gibt Leute, die sagen: Schnell raus aus den Aktien, jetzt kommt die große Krise. Dann gibt es Leute, die sagen: Das sind jetzt wunderbare Einstiegskurse. Jeder Bankkunde sollte seine Situation dabei im Blick behalten und auch mit seinem Bankberater sprechen.

Die Zahl der Bankfilialen sinkt. Wann ist da ein Ende erreicht?

Kemmer In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Bankfilialen auf 37.000 fast halbiert. Dieser Prozess wird in abgeschwächter Form noch weitergehen. Wann er zum Stillstand kommt, vermag ich nicht zu sagen. Wir werden mehr spezialisierte Filialen bekommen. In ländlichen Regionen kann das dazu führen, dass eine flächendeckende Versorgung mit Filialen nicht mehr gewährleistet ist, wohl aber mit Bankdienstleistungen. Online-Banking wird weiter auf dem Vormarsch sein. Umfragen zeigen, dass gerade bei den Älteren Online-Banking besonders dynamisch zunimmt. 55 Prozent aller Kunden nutzen das Internet bereits für ihre Bankgeschäfte.

Warum senken die Banken die Dispozinsen nicht?

Kemmer Der Dispozins ist in den letzten Jahren immer weiter gesunken. Aber Sie haben Recht, er ist für den Verbraucher teuer, allerdings auch für die Bank. Wir müssen für den Dispokredit zum Beispiel eine laufende Bonitätsanalyse jedes Kunden machen. Man kann viel diskutieren, welcher Dispozins angemessen wäre. Letztlich macht die Preise der Markt, deshalb sind auch wir für noch mehr Transparenz. Die Kreditinstitute müssen für ihre Kunden erkennbar machen, was der Dispo genau kostet. Dann wird es der Wettbewerb richten. Viele Banken sind ja schon dazu übergegangen, keine Überziehungszinsen mehr zu verlangen und haben ihre Dispozinsen schon deutlich reduziert. Da muss der Verbraucher letztendlich schauen, ob es sich lohnt, wegen der Dispozinsen die Bank zu wechseln. Wenn jemand einen Dispokredit von 2.000 Euro während ein, zwei Monaten in Anspruch nimmt, kostet ihn das nicht mehr als zwei Kinokarten. Die Beträge sind bei vernünftiger Nutzung des Dispokredits überschaubar. Wenn jemand dauerhaft im Minus ist, bekommt er schon jetzt oftmals Angebote von seiner Bank, auf eine günstigere Finanzierung umzusteigen.

Muss das gesetzlich geregelt werden?

Kemmer Ich sehe keinen Grund, den Dispozins gesetzlich zu deckeln. Bei unserem intensiven Bankwettbewerb brauchen wir das nicht.

Das Interview führten Jan Drebes, Birgit Marschall und Eva Quadbeck.

(mar / jd / qua)
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