Wirtschaftstage Merkel mahnt Mittelstand: Digitalisierung nicht verschlafen

Berlin · "Industrie 4.0" lautet allerorten das neue Zauberwort. Doch Kanzlerin Merkel sieht vor allem kleine und mittlere Firmen noch nicht gerüstet für das digitale Zeitalter. Eigentlicher Stargast auf dem Wirtschaftstag ist der mögliche US-Präsidentschaftskandidat Jeb Bush.

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den deutschen Mittelstand davor gewarnt, die Herausforderungen einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft zu verschlafen. "Mit dem Schlagwort Industrie 4.0 ist es nicht getan", sagte sie am Dienstag in Berlin bei einer Konferenz des CDU-Wirtschaftsrates.

Einige Unternehmen seien sehr gut aufgestellt. Aber in der "Breite des Mittelstandes" sei "die Tiefe der Veränderungen" wohl noch nicht ausreichend erkannt, sagte Merkel. Es reiche nicht, IT-Beauftragte zu ernennen. Der Anstoß müsse aus der Chefetage kommen: "Das Ganze muss vom CEO aus gedacht werden."

Merkel warb erneut für einen zügigen Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP zwischen den USA und der EU. "Ich bin stark dafür, dass wir es schnell abschließen", sagte die Kanzlerin. Beide Seiten hätten ein Interesse, weltweit Standards zu setzen.

Auch der mögliche US-Präsidentschaftsbewerber Jeb Bush sprach sich für einen schnellen Abschluss aus. "Ich hoffe, dass das in Hochgeschwindigkeit über die Bühne geht." Mit Blick auf die NSA-Spähaffäre sagte Bush, die Enthüllungen von Edward Snwoden hätten die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA belastet. "Es muss einen ganz klaren Dialog geben." Er glaube aber nicht, dass es Industriespionage gegeben habe.

Jeb Bush: US-Präsidentschafts-Kandidat 2016
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Foto: dpa, pm ks htf

Der Republikaner Bush will US-Präsident werden wie zuvor sein Vater und sein Bruder. Es wird erwartet, dass er in der nächsten Woche seine offizielle Bewerbungsrede hält. Mit dem Auftritt in Berlin und einer Reise in andere europäische Länder will Bush sein außenpolitisches Profil schärfen.

Scharfe Kritik übte Bush an Russland. Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt sagte er, "Russland muss die Souveränität all seiner Nachbarn respektieren." Russland werde tun, was es wolle, wenn Aggression unbeantwortet bleibe. Präsident Wladimir Putin sei ein "skrupelloser Pragmatiker". Die Nato müsse Gegendruck erzeugen.
"Wir dürfen nicht lau reagieren." Es gebe aber kein Interesse, "Russland für Generationen von uns wegzustoßen".

Zuvor hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Vorbehalte gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP kritisiert. "Offenbar haben wir nur ein Problem: Nämlich zwischen den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Welt, den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa, ein Freihandelsabkommen zu machen. Das ist absurd", meinte Schäuble. Umgekehrt würde sich wohl niemand aufregen, wenn es ein Abkommen mit China geben würde.

Der neue Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Werner Michael Bahlsen, vermisst bei der großen Koalition den Durchblick. Ihm fehle bei den Themen Sicherung der Sozialsysteme, Bildung, Investitionen und Firmengründungen "eine Strategie, ein Plan, der klar macht, wie wir die großen Herausforderungen politisch angehen wollen." Zuvor war der 66-jährige Chef des gleichnamigen Backwaren-Herstellers aus Hannover als Nachfolger von Kurt Lauk an die Spitze des CDU-nahen Wirtschaftsrates gewählt worden.

EU-Kommissar Günther Oettinger warnte vor einem digitalen Flickenteppich in Europa. "Ich plädiere für eine europäische Digital-Union." Für den europäischen Binnenmarkt mit seinen 510 Millionen Menschen seien einheitliche Datenschutz- und Urheberrechtsregeln erforderlich. "Noch wichtiger als eine Straßen-Infrastruktur ist die Internet-Infrastruktur."

(dpa)
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