Düsseldorf Medica zeigt schlaue Pflaster und OP-Brillen

Düsseldorf · Die Digitalisierung steht im Mittelpunkt der Medizinmesse, die bis Donnerstag läuft. Mit einer Brille kann etwa der Chirurg erkennen, wo er einen Tumor operieren muss. Noch sei Deutschland sehr analog, bedauert der Digitalminister.

Wenn Ärzte Tumore entfernen müssen, ist ein scharfes Auge und viel Fingerspitzengefühl gefragt. Das gilt vor allem für die Operation von Hirntumoren, bei denen jeder falsche Schnitt wichtige Schaltzentren zerstören könnte. Nun haben Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft eine Art Operationsbrille entwickelt, die den Ärzten das millimetergenaue Arbeiten erleichtern könnte: die "3D-ARILE". Die Forscher stellen die Brille erstmals auf der Medizinmesse Medica vor, die seit gestern in den Düsseldorfer Messehallen stattfindet.

Bösartige Tumore bilden oft Metastasen, die sich über das Lymphsystem im Körper ausbreiten. Mit Hilfe der Brille kann die genaue Lage der Knoten bestimmt werden, um sie anschließend zu entfernen. Das funktioniert, vereinfacht gesprochen, so: Dem Krebspatienten wird ein Fluoreszenzfarbstoff injiziert, der die entsprechenden Lymphknoten markiert. Eine Infrarotkamera macht sie sichtbar. Das Ganze wird dem Operateur in eine Augmented-Reality-Brille eingespielt, die auch die Umgebung der Knoten einblendet. Das erlaubt dem Arzt, sicher zu ihnen zu gelangen und diese zu entfernen. Augmented Reality (erweiterte Realität) hilft, viele Informationen am Bildschirm darzustellen. Sie ist ein Beispiel dafür, wie die Digitalisierung die Medizintechnik revolutioniert.

Ein anderes Beispiel sind tragbare Messgeräte ("Wearables"), die immer stärker zur Erfassung von Vitaldaten genutzt werden. Dabei geht der Einsatz längst über Fitnesstracker hinaus, die Schritte zählen. Die indische Firma Terra Blue XT etwa stellt in Düsseldorf einen Handschuh namens "TJay" vor. Er ist mit Sensoren versehen, die Temperatur, Hautleitfähigkeit, Blutdruck und Sauerstoffsättigung erfassen. Die Auswertung der Daten kann laut Hersteller helfen, Anfälle bei Epilepsiekranken vorherzusagen. Ein ähnliches Verfahren bietet die Firma Philips an, damit ein Arzt oder Pfleger viele Patienten einer Station gleichzeitig überwachen kann.

Die Messung von Daten über die Haut kann auch simple Produkte wie Pflaster intelligenter machen. Das kalifornische Start-up TracPatch hat ein gleichnamiges Pflaster entwickelt, das die Temperatur um die Wunde herum misst. Unregelmäßigkeiten, die auf eine drohende Infektion hinweisen, werden via Smartphone-App dem Patienten oder Arzt übermittelt. Der Patient könnte damit früher mobil oder aus der Klinik entlassen werden, da der Arzt ihn per App weiter unter Kontrolle hat.

"Die Digitalisierung der Medizintechnik revolutioniert Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation. Doch in Deutschland dominiert noch immer analoge Technik", bedauert Andrea Pinkwart (FDP), NRW-Digitalminister, zur Eröffnung der Messe. Nun gelte es, die neuen Möglichkeiten besser zu nutzen. NRW sieht Pinkwart dabei auf gutem Weg: Mit einem starken Heimatgeschäft könne man auch den Weltmarkt überzeugen. Und 60 Prozent der hiesigen Medizinproduke würden bereits exportiert. 2016 stellten NRW-Firmen medizinische Geräte für 1,1 Milliarden Euro her, 23 Prozent mehr als im Vorjahr.

Firmen aus den USA und Asien dominieren, es gibt aber auch Kooperationen: Alexa, der Sprachdienst von Amazon, soll mit Produkten des Ulmer Herstellers Beurer für mehr Service sorgen. Ruft der Senior "Alexa, heiz mein Bett zwei Stunden", soll das Wärmeunterbett anspringen. Die Messe, auf der 5100 Aussteller vertreten sind, rechnet mit 130.000 Besuchern.

(anh)
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