Berlin Maulkorb nach Blick in TTIP-Akten

Berlin · Die Grünen fordern die Aufhebung von umstrittenen Geheimhaltungsregeln.

Die Möglichkeit, Originaldokumente zum Verhandlungsstand beim umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA einzusehen, erweist sich für viele Kritiker als kontraproduktiv: Sie sind zwar hinterher besser informiert, dürfen jedoch über das, was sie erfahren haben, nicht sprechen. Bundestagsabgeordnete dürfen seit Anfang Februar, Bundesratsmitglieder seit dem 7. März im Leseraum B 0.010 des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin TTIP-Kapitel an Computern studieren. Sie müssen jedoch zuvor eine Erklärung unterschreiben, die sie verpflichtet, Dritten nichts über den Inhalt der Dokumente zu sagen.

Verstöße könnten sogar Haftstrafen nach sich ziehen, berichten Grünen-Politiker. Der Bundestag hatte zwar dringend mehr Transparenz eingefordert. Doch den Nutzern des Leseraums wird wegen der strengen Geheimhaltungsvorschriften, die zwischen den USA und der EU-Kommission als Bedingung für mehr Transparenz vereinbart worden waren, die kritische Begleitung der Verhandlungen paradoxerweise erschwert. Die Besucher müssen vorher ihre Mobiltelefone abgeben und dürfen anschließend die TTIP-Dokumente unter Aufsicht maximal zwei Stunden lang lesen. Ihnen sei die "unbefugte Offenlegung der Schriftstücke oder darin enthaltene Informationen streng untersagt", hieß es in einer Mitteilung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

"Es ist eine merkwürdige und unakzeptable Situation, wenn man als Politiker wichtige und notwendige Informationen über den Stand der TTIP-Verhandlungen erhält und hinterher nicht darüber reden darf", sagte die rheinland-pfälzische Agrarministerin Ulrike Höfken (Grüne) gestern nach einem Besuch des Leseraums. "Das läuft demokratischen Grundprinzipien zuwider. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihr ganzes Gewicht in Brüssel einzusetzen, damit dieser Maulkorb aufgehoben wird", sagte Höfken.

Sie forderte eine deutsche Übersetzung der Texte. Selbst für Fachleute sei es nicht leicht, die komplexen Texte zu verstehen. "Meine Befürchtungen sind durch die Einsicht der TTIP-Texte nicht widerlegt, sondern bestätigt worden." Durch den Investitionsschutz würden Investoren Eingriffsrechte erhalten, "um demokratische Prozesse in ihrem Sinne zu beeinflussen", so Höfken.

(mar)
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