Düsseldorf Lieber spenden als mehr Steuern zahlen

Düsseldorf · Ennepetal geht einen neuen Weg: Die lokalen Firmen spenden 3,5 Millionen Euro, mit denen freiwillige Leistungen der Kommune finanziert werden sollen. Die Stadt verzichtet dafür auf eine Gewerbesteuer-Anhebung.

Auf 490 Prozent sollte im kommenden Jahr eigentlich der Gewerbesteuer-Hebesatz der Stadt Ennepetal steigen. Für die Kommune am südlichen Rand des Ruhrgebiets hätte das Mehreinnahmen zwischen 4,2 Millionen und 4,3 Millionen Euro bedeutet, wie Kämmerer Dieter Kaltenbach auf Anfrage erklärt. Doch daraus wird nichts. Stattdessen hofft die Stadt auf freiwillige Spenden der Unternehmen in einer Größenordnung von 3,5 Millionen Euro. Die sollen die Firmen einsammeln und an die Stadt weiterleiten, und dann können sie ihre Spenden steuerlich absetzen.

Über das Verfahren, das nach Kaltenbachs Angaben von der Wirtschaft in Ennepetal initiiert wurde, könnte man ins Grübeln geraten. Dass die Unternehmen weniger zahlen wollen, leuchtet ein. Aber warum verzichtet eine Stadt, die im vergangenen Jahr ein Haushaltsdefizit von rund elf Millionen Euro aufwies und für 2015 ein Loch in ähnlicher Größenordnung zeigt, auf eine runde Dreiviertelmillion Euro an Einnahmen? Die Antwort ist einfach: "Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind ja nur kalkuliert, nicht sicher. Manchmal gibt es nach Jahren noch Betriebsprüfungen, und dann müssen wir den Unternehmen Steuern erstatten - plus Zinsen."

Da nimmt man lieber 3,5 Millionen, die sicher sind. Oder nicht? Was ist, wenn sich die Spendenbereitschaft der Ennepetaler Unternehmen so sehr in Grenzen hält, dass die angestrebte Summe nicht zusammenkommt? Für den Fall hat sich die Stadt eine Hintertür offengelassen: "Die Unternehmen müssen uns bis 31. Mai mitteilen, ob sie die 3,5 Millionen Euro zusammenbekommen haben. Wenn nicht, können wir die Gewerbesteuer noch bis 30. Juni rückwirkend erhöhen", sagt Kaltenbach. Haushaltsrechtliche Bedenken gibt es offenbar keine. Das Modell sei mit der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Ennepe-Ruhr-Kreis, abgestimmt, so der Stadtkämmerer.

Finanziert werden sollen mit den Einnahmen übrigens freiwillige Leistungen in Bereichen wie Schule, Sport, Jugend und Kultur - ein Etatposten, der laut Kaltenbach im Etat acht bis neun Millionen ausmacht. Von insgesamt 103 Millionen Euro im Haushalt, die der Rat gestern Abend so beschließen sollte - einschließlich des ungewöhnlichen Spendenmodells. Dass die Idee in den sauerländischen Kommunen Ense und Kirchhundem gescheitert ist, macht Kaltenbach keine Sorgen: "In den anderen Fällen waren das Einzelabsprachen. Bei uns ist es ein fest verankertes Modell zwischen Stadt und Unternehmen."

Ob es Modellcharakter für andere bekommt, bleibt offen. Denn Unternehmen können auch taktieren und auf Gewerbesteuer-Rückerstattungen in den kommenden Jahren hoffen, die sie noch besser dastehen lassen könnten als in dem Spendenmodell. 2014 hat Ennepetal knapp 3,5 Millionen Euro Gewerbesteuern nachträglich zurückzahlen müssen, für 2015 dürften es vier Millionen Euro sein. Damit ist die Stadt im Ruhrgebiet kein Einzelfall.

Für 2016 ist indes gestern dem Stadtrat ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt worden. Der kommt allerdings auch durch einen Hoffnungswert zustande: Im Haushalt für 2016 sind sieben Millionen Euro eingeplant aus der Auflösung von Rückstellungen, die die Stadt für den Zinswetten-Streit mit der WestLB-Nachfolgerin Portigon gebildet hatte. Den Rechtsstreit hatte die Kommune vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gewonnen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof den Fall zurückverwiesen, weil nach seiner Ansicht die Düsseldorfer Richter nicht alle wichtigen Fragen geklärt haben. Bis dahin sind auch die sieben Millionen Euro nicht sicher - so wenig wie Spenden und Gewerbesteuer-Einnahmen.

(RP)
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