Köln Lernen am digitalen OP-Tisch

Köln · Auf dem Portal WebOP können Mediziner per Videoanleitung chirurgische Eingriffe lernen. Produziert werden die Filme von Ärzten.

Köln: Lernen am digitalen OP-Tisch
Foto: WebOP, Grafik: Ferl

Wenn ein Mediziner, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, ein neues OP-Verfahren entwickelt hat, hat er früher Aufsätze in Fachmagazinen veröffentlicht oder Bücher geschrieben. Studenten und Kollegen konnten dann nachlesen, wie diese oder jene Methode am lebendigen Objekt anzuwenden ist. In Zeiten der Digitalisierung sind die Anforderungen an die Medizin und ihre Stars jedoch komplexer geworden. Das zu Papier Gebrachte reicht nicht mehr aus. Das haben auch die Erfinder des Internetportals WebOP gemerkt - und mit ihrer Plattform eine Art Youtube für Mediziner geschaffen. Anhand von Videos können Studenten und Ärzte dort chirurgische Eingriffe lernen - Grundlagen sowie neue Methoden. Das Angebot soll eine Ergänzung zu Praxis und Theorie sein.

"Ich bin selbst Chirurg, und als wir vor ein paar Jahren das Projekt ins Leben gerufen haben, ist das aus unseren eigenen Bedürfnissen heraus geschehen. Wir haben uns gefragt, was uns noch in der Lehre und beim Lernen fehlt", sagt Professor Markus Heiss, der WebOP 2008 mit seiner Kollegin Cornelia Pape-Köhler am Klinikum Merheim in Köln zusammen mit der Universität Witten/Herdecke gegründet hat.

Gestartet als Hochschul-Projekt, ist WebOP heute ein eigenständiges Unternehmen. Auf der Internetseite www.webop.de gibt es inzwischen mehr als 100 Videoclips aus dem Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie). Per Crowdfunding hat das Start-up zudem inzwischen fast 160.000 Euro gesammelt, um das Angebot um die Orthopädische- und Unfallchirurgie zu erweitern. "Diese beiden und die schon vorhandenen Disziplinen machen einen Großteil der operativen Eingriffe aus - deshalb haben wir den Fokus auf sie gelegt", so Heiss. Schon heute gibt es aber auch Standardeingriffe als Video im Youtube-Stil, so werden etwa spezielle Nähte Schritt für Schritt erklärt.

Produziert werden die Videos mit Ärzten aus der gesamten Republik: So können Mediziner, die etwa Spezialisten für bestimmte Verfahren und Techniken sind, mit Markus Heiss und seinem Team in Kontakt treten, die Macher der Plattform kontaktieren ihrerseits aber ebenso Kollegen. "Dann muss nur noch ein passender Patient gefunden werden, und wir drehen", sagt Heiss. Aufbereitet werden die Videos in mehreren Sequenzen, die sich die Nutzer auf der Seite anschauen können - von der Vorbereitung bis zur Naht. Dazu gibt es Erklärungen, Zeichnungen und Grafiken, alles soll anschaulich sein - schließlich zahlen die Nutzer.

Dazu haben die Macher der Plattform eine Art Abonnement-System entwickelt: Nutzer zahlen für einen, sechs oder zwölf Monate und können sich dann unbegrenzt Videos anschauen. Markus Heiss ist zuversichtlich, dass dieses Geschäftsmodell aufgeht - weil die Studenten zahlen, aber auch, weil man langfristig immer mehr Kliniken akquirieren will: "Ärzte müssen pro Jahr eine bestimmte Anzahl von Fortbildungen machen. Die sind oft sehr teuer, wurden früher aber in vielen Fällen von Pharma-Unternehmen bezahlt. Heute ist das mit vielen Compliance-Regeln nicht mehr vereinbar, und die Kliniken müssen die Fortbildungen selbst zahlen." Da sei seine Plattform eine gute Alternative. Krankenhäuser, die schon jetzt mit den Videos von WebOP arbeiteten, seien etwa die Universitätskliniken in Freiburg und Bochum.

Mit den Finanzmitteln aus dem Crowdfunding will man nun außer der Erweiterung des Video-Angebots noch weitere Ziele erreichen: So sollen Videos auf Englisch übersetzt werden, und auch das Thema "Virtuelle Realität" will man bei dem Kölner Start-up demnächst in Angriff nehmen, so dass Nutzer mit 3D-Brillen die Videos verfolgen können und sich der Schreibtisch zu Hause gewissermaßen in den OP-Tisch verwandelt. Mediziner wird das freuen. Für schwache Nerven ist das aber sicher nichts.

(lai)
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