Phil Hogan "Lage der Milchbauern bleibt schwierig"

Der EU-Agrarkommissar über seine Politik, die Nöte der Bauern und wie er den Landwirten in Europa helfen will.

Zum Auftakt der Grünen Woche verteidigt EU-Agrarkommissar Phil Hogan seine umstrittene Politik, sagt aber auch, dass mit einer raschen Erholung des Milchpreises nicht zu rechnen ist.

Herr Hogan, die Grüne Woche ist die wichtigste Leistungsschau der Landwirtschaft in Europa. Trauen Sie sich dort überhaupt hin?

hogan Natürlich. Ich war erst kürzlich bei einer Veranstaltung des deutschen Bauernverbandes in Bayern, wo wir über zwei Stunden sehr gut und konstruktiv diskutiert haben. Das wird in Berlin nicht anders sein.

Viele Bauern aber sehen derzeit rot. Speziell die Milchviehhalter beklagen einen enormen Preisverfall. Es wird ihr Rücktritt gefordert - wegen Untätigkeit.

hogan Kommissionschef Juncker hat dazu in einem Brief an den Milchbauernverband das Notwendige gesagt. Aber ich verstehe die Schwierigkeiten, die die deutschen Milchbauern mit den im vergangenen Jahr gesunkenen Preisen haben. Es war unvermeidlich, dass es zu Schwankungen kommen würde, wenn der europäische Agrarsektor voll den Marktkräften ausgesetzt würde - die EU-Staaten haben das Ende der Milchquote aber 2013 so beschlossen.

Alle produzieren teils auf Kredit auf Teufel komm raus, und die versprochene Nachfrage aus China bleibt aus.

hogan Wir bekommen die Krise in China zu spüren, wo die Menschen zurzeit weniger ausgeben können. Es gibt im Moment ein globales Überangebot: Weltweit sind die Rohstoffpreise gefallen, was die Kaufkraft vieler potenzieller Käufer geschwächt hat. Außerdem hat allein der russische Importstopp für europäische Landwirtschaftsprodukte 5,2 Milliarden Euro an Exporterlösen gekostet. Und genau deshalb habe ich ja im September ein "Solidaritätspaket" für unsere Farmer geschnürt - mit 500 Millionen Euro an finanzieller Hilfe, die je nach Mitgliedstaat bei Bauern als Direkthilfen oder als zinsgünstige Darlehen ankommen. Wir suchen zudem nach neuen Absatzmöglichkeiten, beispielsweise in neuen Handelsverträgen.

Die Milchbauern sprechen von einem Tropfen auf den heißen Stein.

hogan Es muss mehr getan werden - das sehe ich genauso. Aus diesem Grund habe ich in der vergangenen Woche eine Expertengruppe berufen, die bis Jahresende Vorschläge entwickeln soll, wie die Bauern wieder in eine bessere Position innerhalb der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelkette kommen.

Ist das ein Eingeständnis, dass es ein Problem gibt, das die Abschaffung der Milchquote erst verursacht hat?

hogan Nein, da geht es um etwas komplett anderes als die stärkere Marktorientierung. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht, wie der Anteil der Landwirte an der Wertschöpfung der gesamten Nahrungsmittelkette erhöht werden kann. Da gibt es beispielsweise einige Probleme durch die Marktmacht bestimmter Oligopole, die den Landwirten teils zu niedrige Abnahmepreise aufzwingen können. Das werden wir uns auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht genauer anschauen.

All das wird dauern. Bauern sehen die Gefahr einer Pleitewelle.

hogan Leider haben auch in Zeiten mit besseren Marktpreisen jährlich 3,7 Prozent der Höfe aus Altersgründen den Betrieb eingestellt, da sich keine Nachfolger fanden. Aber wir haben keine Anzeichen dafür, dass es nun deutlich mehr würden.

Mit welcher Botschaft treten Sie also bei der Grünen Woche auf?

hogan Ich kann den Bauern versprechen, dass sie künftig einfacher und unbürokratischer Unterstützung durch die Steuerzahler beantragen können - da werde ich in den nächsten Wochen Gesetzesvorschläge machen. Ich werde aber speziell Milchvieh- und Schweinehaltern sagen müssen, dass ihre schwierige Lage in der ersten Jahreshälfte noch anhalten wird. Danach hoffe ich auf eine Normalisierung von Preisen und Handelsbeziehungen. Aber das wird viel Arbeit erfordern.

Mehr denn je setzt die EU-Agrarpolitik auf Exporte, die aber auch Probleme in Entwicklungsländern auslösen.

hogan Das ist aus meiner Sicht eine falsche Wahrnehmung der EU-Politik. Erst gerade haben wir bei Gesprächen der Welthandelsorganisation WTO beispielsweise die USA davon überzeugen können, dass erstmals alle handelsverzerrenden Maßnahmen wie Exportsubventionen verboten werden - ein phantastischer Erfolg für die Nachhaltigkeit.

Exportsubventionen zahlt die EU schon seit Jahren nicht mehr. Was aber ist damit, dass die mit europäischem Steuergeld produzierten Tomaten oder Hühnchen in Afrika teils die lokale Wirtschaft zerstören - und Flüchtlingsströme erzeugen?

hogan Ich kenne das Beispiel der Tomaten in Ghana. Der Marktanteil der europäischen Produkte, vor allem aus Italien, geht dort seit Jahren zurück - China ist dort mit 70 bis 80 Prozent Marktanteil vertreten.

Ich kann Sie also nicht zur Aussage verleiten, dass sich der EU-Agrarsektor vielleicht stärker auf den heimischen Markt besinnen sollte?

hogan Nein. Denn ich sehe keinen Widerspruch zwischen einer stärkeren Weltmarktorientierung und Nachhaltigkeit - das hat der jüngste WTO-Deal eindrucksvoll bewiesen.

CHRISTOPHER ZIEDLER STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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