Berlin Lässt Angela Merkel in China ihre Muskeln spielen?

Berlin · Deutsche Firmen stoßen in China auf mehr Probleme, gleichzeitig greifen chinesische Investoren nach strategisch wichtigen Unternehmen. Von der Bundeskanzlerin, die am Sonntag nach Peking aufbricht, erwartet die Wirtschaft Rückendeckung.

Berlin: Lässt Angela Merkel in China ihre Muskeln spielen?
Foto: Ferl

Es ist ihre neunte Reise ins Reich der Mitte, doch diese könnte für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die schwierigste werden. Unter Präsident Xi Jingping hat sich das kriselnde China bereits gewandelt, es ist aggressiver gegen seine Nachbarn geworden, geht entschiedener gegen Nichtregierungsorganisationen und Bürgerrechtler vor - und zeigt auch mehr Härte bei der Verfolgung seiner wirtschaftlichen Interessen im In- und Ausland. Die Bedingungen für sie in China hätten sich verschlechtert, ergab eine Umfrage der Europäischen Handelskammer in China. In Europa greifen chinesische Investoren nach strategisch wichtigen Unternehmen, etwa dem aufstrebenden deutschen Roboterproduzenten Kuka.

Merkel bricht am Sonntag mit sechs Ministern, darunter Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), nach Peking auf zu den turnusgemäßen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Sie wird begleitet von einer 20-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Am Montag sollen etwa zwei Dutzend Verträge für neue Geschäfte unterzeichnet werden. Allerdings seien große Auftragsvolumina nicht zu erwarten, hieß es in Regierungskreisen. Im Mittelpunkt dürfte dagegen stehen, ob Merkel gegenüber der chinesischen Führung durchdringen wird, wenn sie die zunehmenden Sorgen der deutschen Wirtschaft vor einer Abschottung Chinas anspricht. "Wir wollen gleiche Bedingungen auf beiden Seiten. Darauf wollen wir drängen", hieß es gestern in den Kreisen.

Ein Problem sind Chinas Überkapazitäten in der Stahlproduktion. Stahl wird zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt geworfen, europäische Konkurrenten haben keine Chance. Gleichzeitig will China jedoch erreichen, dass die Europäer der kommunistisch regierten Volksrepublik den Status einer Marktwirtschaft geben. Mit diesem Status würden deutlich weniger strenge Anti-Dumping-Regeln für China gelten. In Europa ist daher die Sorge groß, sich künftig nicht mehr gegen die chinesische Dumping-Praxis wie beim Stahl wehren zu können. Die EU-Kommission wird Ende August einen Vorschlag vorlegen, wie sie auf den Wunsch Chinas reagiert. Deutschland befürworte hier eine "faire Lösung", hieß es dazu nebulös in Regierungskreisen.

Im Gegenzug solle China also seine Märkte für europäische Hersteller mehr öffnen. Ein großer Kritikpunkt ist, dass europäische Investoren chinesische Firmen nach wie vor an jedem Projekt mit 50 Prozent in einem Joint-Venture beteiligen müssen, wenn sie in China aktiv werden wollen. Innerhalb eines Joint-Ventures gelingt es den Chinesen, technologisches Know-how abzuziehen und später für eigene Zwecke zu verwenden.

Gegen eine Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch chinesische Investoren hat sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bereits ausgesprochen. Auch die Kanzlerin ist dagegen. Doch bisher ist kein deutscher oder europäischer Investor in Sicht.

"In den letzten Jahren hat das Interesse chinesischer Investoren an deutschen Unternehmen enorm zugenommen. Gerade der deutsche Mittelstand hat bei den Chinesen einen guten Ruf", sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Von einer Übernahmewelle könne aber keine Rede sein. Im Regelfall kauften sich chinesische Firmen in Branchen ein, in denen sie selber tätig seien, um in höherpreisige Produktsegmente aufzusteigen.

Insgesamt könne der Wirtschaftsstandort Deutschland durchaus mehr chinesische Investitionen gut gebrauchen, so Treier. "Während deutsche Unternehmen in China bereits Produktion und Anlagen im Wert von fast 60 Milliarden Euro aufgebaut haben, sind die Chinesen hierzulande nur mit etwas mehr als zwei Milliarden Euro aktiv." Von der chinesischen Seite erwarteten die deutschen Unternehmen "aber gleichermaßen mehr Offenheit, um dort auch in technologisch interessanten Bereichen ungehindert aktiv werden zu können", betonte der DIHK-Vertreter.

(mar)
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