Seoul Koreas Star-Konzern in der Krise

Seoul · Nach massiven Problemen mit in Flammen aufgehenden Smartphones zieht Samsung die Notbremse. Der Konzern nimmt sein Modell Note 7 endgültig vom Markt. Für die ehrgeizigen Südkoreaner ist das eine neue Erfahrung.

Seoul: Koreas Star-Konzern in der Krise
Foto: Zörner

Jetzt, wo die Smartphones von Samsung in Flammen stehen, tauchen natürlich wieder die alten Legenden auf. Zum Beispiel die von dem Scheiterhaufen aus rund 150.000 Fernsehern, Handys und Faxgeräten, den der damalige Samsung-Chef Lee Kun Hee 1995 angeblich aufschichten und anzünden ließ. So berichtet es zumindest der US-Blog "TechCrunch". Manche Mitarbeiter sollen angesichts der Szenerie in Tränen ausgebrochen sein, weil sie genau wussten, was ihr Chef ihnen damit sagen wollte: Die Qualität dieser Geräte ist zu schlecht, und bei Samsung werden keine Fehler akzeptiert.

Rund 20 Jahre später gibt es erneut Probleme mit der Qualität von Samsung-Produkten - nur dass diesmal niemand mehr nötig wäre, der einen Scheiterhaufen aus Elektrogeräten anzündet. Das würden die Smartphones vom Typ Galaxy Note 7 einfach selbst übernehmen. Die Probleme mit dem Smartphone, das unter anderem in den Händen einer 13-Jährigen und an Bord eines Flugzeuges Feuer gefangen hatte, haben das Image des südkoreanischen Konzerns stark ramponiert: Erst musste das Unternehmen die Smartphones zurückrufen, dann tauchten bei den Austauschgeräten erneut Probleme auf, so dass nun die Produktion des Modells ein für alle Mal eingestellt wurde.

Es ist ein herber Schlag für das ehrgeizige Unternehmen, denn eigentlich wollte man mit dem Modell das Flaggschiff des Konkurrenten Apple, das neue iPhone 7, angreifen. Stattdessen muss man nun zusehen, dass man die Schäden begrenzt, damit die Kunden nicht auch das Vertrauen in andere Produkte aus dem Hause Samsung verlieren. Denn das könnte den finanziellen Erfolg des südkoreanischen Konzerns dauerhaft gefährden.

In Südkorea beobachtet man die aktuellen Entwicklungen beim wichtigsten Unternehmen des Landes daher sehr genau und mit Sorgen. Natürlich gibt es noch den Autohersteller Hyundai und den Elektronikkonzern LG, doch Samsung spielt in einer eigenen Liga. Ein Fünftel der Wirtschaftsleistung von Südkorea entfällt auf das Unternehmen, dass noch immer von der Gründerfamilie Lee geleitet wird.

Zwar dürften die zu erwarteten Kosten des Rückrufs für den Großkonzern verkraftbar sein, auch wenn der Aktienkurs von Samsung Elektronics, der Elektroniksparte des Konzerns, an der Börse von Seoul zeitweise um bis zu acht Prozent einbrach. Zu dem Konglomerat gehören jedoch neben der bekannten Elektroniksparte unter anderem auch noch der Schiffsbauer Samsung Heavy Industries sowie Baukonzerne, eine Versicherung und der Betreiber eines Freizeitparks. Die Familie Lee ist breit aufgestellt.

Doch der Image-Schaden ist schon jetzt erheblich - es ist das erste Mal, dass ein großer Hersteller ein Smartphone vom Markt nehmen muss, weil es gefährlich ist. Der rasante Aufstieg des Unternehmens, das Konkurrenten wie Sony in den vergangenen Jahren abgehängt hat, bekommt damit einen Dämpfer. Nach der Gründung der Elektroniksparte 1969 ging es fast immer nur bergauf. Samsung produzierte fortan Fernseher, Kühlschränke, Mikrowellen in Millionen-Stückzahlen. Später kamen noch Klimaanlagen und PCs hinzu, Videorekorder und in den 1990ern auch Mobiltelefone. Immer größer wurde das Geschäft, immer stärker stiegen die Absatzzahlen.

Doch nun treten die Schattenseiten des Höher, Schneller, Weiter zutage, mit dem das Unternehmen zum größten Smartphone-Hersteller der Welt wurde und mit seinen Produkten in nahezu jedes Wohnzimmer einzog.

Wie konnte es sein, dass Produkte mit so massiven Fehlern weltweit in den Geschäften landen? Wieso fiel bei internen Sicherheitsüberprüfungen vorher niemandem der Fehler auf? Und was ist dran an den Gerüchten, Manager hätten Druck gemacht, dass das Smartphone früher auf den Markt kommt als ursprünglich geplant, damit es noch vor dem neuen iPhone erscheint? Das hatte zumindest die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet.

Am Ende war es auch die für Rückrufe zuständige südkoreanische Technologie- und Normierungsbehörde, die einen Verkaufsstopp empfahl. Sie vermutete, dass es außer den Akkus noch einen weiteren Fehler geben könnte. "Das verbesserte Produkt hat nicht den gleichen Defekt. Deshalb gehen wir davon aus, dass es einen neuen Defekt gibt", sagte Oh Yu Cheon von der Aufsichtsbehörde. Um diesen genau zu benennen, brauche es aber noch Zeit.

"Vor 20 Jahren haben wir vereinbart, niemals aufzuhören, uns zu verbessern, uns immer wieder zu wandeln", schreibt Samsung in einer Broschüre über das Unternehmen - dieser Grundsatz dürfte heute wohl mehr denn je gelten, mit oder ohne Scheiterhaufen.

(frin)
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