Karlsruhe Konzerne erhoffen sich Milliarden von Atom-Urteil

Karlsruhe · Das Verfassungsgericht hat sein Urteil zum vorzeitigen Atomausstieg fertig. Am 6. Dezember wird es verkündet.

Ferdinand Kirchhof und seine Kollegen sind fertig: Die Verfassungsrichter haben ihr Urteil zum Atomausstieg geschrieben, allein das zugrunde liegende Rechtsgutachten soll rund 900 Seiten dick sein, am 6. Dezember wird Kirchhof den Spruch verkünden. Die Atomkonzerne Eon, RWE und Vattenfall erhoffen sich Milliarden. Denn die Richter entscheiden, ob der vorzeitige Atomausstieg mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach dem Unglück von Fukushima 2011 hatte die Regierung Merkel beschlossen, dass 2022 der letzte deutsche Meiler vom Netz muss, nachdem sie zuvor die Laufzeiten verlängert hatte.

Zwei Fragen klären die Richter: Ist ein schwedischer Konzern wie Vattenfall überhaupt in Deutschland grundrechtsfähig? Und verstößt die Bundesregierung mit dem vorzeitigen Atomausstieg gegen Artikel 14 (Recht auf Eigentum)? Wenn ja, gibt es drei Möglichkeiten: Die Richter halten den Atomausstieg für eine Enteignung mit zwingender Entschädigungsfolge. Dann ist die 13. Novelle des Atomgesetzes nichtig. Die Regierung müsste ein neues Gesetz formulieren und hierin auch die Entschädigung regeln. Das wäre ein Sieg für die Konzerne.

Halten die Richter die Novelle dagegen nur für eine "Eigentumsausgestaltung", muss kein neues Gesetz her. Sehen die Richter den Ausstieg als Ausgestaltung ohne Ausgleichspflicht an, hätte die Regierung gewonnen. Die Richter können, drittens, aber auch eine Eigentumsausgestaltung mit Ausgleichspflicht feststellen - dann müssen sich Regierung und Konzerne über einen Ausgleich einigen. Ein Kompromiss.

Allein Eon soll laut Branchenkreisen acht Milliarden Euro fordern zur Kompensation entgangener Gewinne und Ausgleich überflüssig gewordener Investitionen. Auch bei RWE dürfte es um Milliarden gehen. EnBW hat nicht geklagt - aus Rücksicht auf den Eigentümer, das grün-rote Baden-Württemberg.

Wohl bis 2017 gedulden müssen sich die Konzerne, was ihre Klage gegen die Atomsteuer angeht. "Das Verfahren ist in Bearbeitung. Ein konkreter Entscheidungstermin steht derzeit noch nicht fest", erklärte das Gericht. Auch hier geht es um Milliarden. Allein Eon hat schon drei Milliarden an Kernbrennstoffsteuer gezahlt.

Vattenfall als schwedischer Konzern hat den Bund zudem vor einem Schiedsgericht in den USA verklagt. Sollte Vattenfall siegen, wird auch der Eon-Konzern profitieren, er ist an den Vattenfall-Meilern Krümmel und Brunsbüttel beteiligt.

Nach Fukushima hatte die Regierung die ältesten Meiler sofort stillgelegt ("Moratorium"), dagegen hat RWE erfolgreich geklagt. Im Zivilverfahren geht es nun um einen Schaden von 235 Millionen. Eon fordert 370 Millionen, hat aber erst spät geklagt. Ob zu spät, muss geklärt werden. Alle Konzerne könnten Geld gebrauchen. Schon bald wird eine 23-Milliarden-Überweisung an den Staat für die Endlagerung fällig. Je mehr Schadenersatz oder Steuererstattung Eon bekommt, desto geringer könnte die "Kapitalmaßnahme" ausfallen.

(anh)
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