Berlin Konkurrenz für Wahl-O-Mat wächst

Berlin · Auf die große Bedeutung des Wahl-O-Mats für die Bundestagswahl weist nicht nur seine wachsende Konkurrenz hin.

Konkurrenz für Wahlomat 2017 für die Bundestagswahl wächst
Foto: Bundeszentrale für politische Bildung

Für Millionen Deutsche ist er zur Institution in der Wahlkampfzeit geworden: der Wahl-O-Mat. Doch die digitale Entscheidungshilfe der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), bei der Nutzer ihre Haltung mit den Programmen der Parteien abgleichen können, ist nicht allein auf dem Markt. Es gibt den Steuer-O-Mat, der einem die Partei vorschlägt, deren Politik die beste für das eigene Einkommen wäre, Parteivergleich.eu, die besonders viele Fragen stellt, und neuerdings auch eine Alternative, die die Funktionsweise der populären Dating-App Tinder kopiert.

Knapp einen Monat vor der Bundestagswahl am 24. September geht heute der klassische Wahl-O-Mat online. Nach BPB-Angaben sollen ihn bei der Wahl 2013 rund 13,3 Millionen Menschen genutzt haben. Projektleiter Martin Hetterich spricht von einer zwischen den Bundestagswahlen um 80 Prozent gestiegenen Nutzerzahl. "Wir werden in diesem Jahr keine 25 Millionen Nutzer erreichen", sagt Hetterich, eine Steigerung erwarte er dennoch.

Seit 2002 gibt es den Wahl-O-Mat, die Entwicklung seiner mittlerweile 43. Version koste einen "niedrigen sechsstelligen Betrag". Seit Mitte 2015 haben rund 50 Forscher, Redakteure und Programmierer daran gearbeitet: "Wir schicken mehr als 80 Thesen an die Parteien, aus denen wir erst später 38 auswählen", sagt Hetterich. Die gesammelten Antworten ergäben ein 400-seitiges Buch.

Dass die Nutzer des Angebots sich eine Online-Wahlempfehlung holen wollten, sei ein hartnäckiges Gerücht: Laut Umfragen hätten 90 Prozent der Nutzer schon vorher eine Entscheidung getroffen, die Hälfte wolle diesen eigenen Standpunkt überprüfen. "Die Wahlentscheidung hängt nicht nur vom Parteiprogramm ab", betont Hetterich. Wen jemand wählt, hänge stark vom Image der Politiker ab, von der Glaubwürdigkeit der Partei und taktischen Erwägungen der Wähler.

Wichtigste Aufgabe des Wahl-O-Mats sei es, Wähler unter 25 Jahren zu mobilisieren, die zuletzt nur eine Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent gezeigt hätten. Da setzt auch die kostenlose App Wahl-Swiper an. "Wir nutzen das ,Prinzip Tinder', um junge Menschen zu erreichen", sagt Projektleiter Matthias Bannert von der Berliner Webdesign-Agentur Movact. Bei der App Tinder wird dem Nutzer der Reihe nach immer nur je ein Foto eines Partnersuchenden angezeigt. Man übermittelt Interesse oder Desinteresse, indem man das Bild auf dem Smartphone-Display mit dem Finger nach links oder rechts wischt (auf Englisch: to swipe). So auch beim Wahl-Swiper - nur, dass statt Singles politische Thesen angezeigt werden.

Anders als beim Wahl-O-Mat, der auch ein "Neutral" oder "Frage auslassen" erlaubt, gibt es beim Wahl-Swiper nur ein "Ja" oder "Nein". Die Parteien zu überzeugen, sich derart festzulegen, sei nicht leicht gewesen, sagt Bannert. Die "Großen" seien zwar alle dabei, beim Start der App hätten sich aber nur 23 der angefragten 42 Fraktionen zur Teilnahme bereit erklärt. Interessierter als die Parteien zeigten sich die Smartphone-Nutzer: Nur drei Tage nach Veröffentlichung des Wahl-Swipers sollen sie bereits eine Million Mal "gewischt" haben. Bei der nächsten Version der App sollen auch Sponsoren beteiligt sein.

(bur)
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