Düsseldorf Kandidatenkür mit Hindernissen

Düsseldorf · Der VW-Aufsichtsrat macht Karlheinz Blessing zum neuen Personalchef für die 600.000 Beschäftigten. Nicht gerade ein Traumjob - andere Kandidaten wie etwa Thyssenkrupp-Arbeitsdirektor Oliver Burkhard winkten ab.

Als Karlheinz Blessing vor mehr als 20 Jahren von der Politik in die Wirtschaft wechselte, erwischte er gleich ein Fettnäpfchen. Politik sei doch eigentlich viel interessanter, ließ er öffentlich durchblicken. Eine Äußerung, die ihm damals in Wirtschaftskreisen recht übel genommen wurde. So übel, dass sie manchem bis heute in Erinnerung geblieben ist.

Die Frage, ob Politik oder Wirtschaft spannender ist, stellt sich für Blessing schon längst nicht mehr. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet der 58-Jährige, der früher einmal SPD-Bundesgeschäftsführer unter Björn Engholm war, als Manager in der Stahlindustrie. Zuletzt war er Vorstandschef des saarländischen Stahlkochers Dillinger Hütte. Von dort ist es kein weiter Sprung in den Vorstand von Volkswagen - Autokonzerne sind die wichtigsten Kunden der Stahlhersteller. Hinzu kommt, dass Blessing auch in der IG Metall bestens vernetzt ist. Die Gewerkschaft hat traditionell ein Vorschlagsrecht für den Posten des Arbeitsdirektors bei VW.

Eigentlich passt also alles perfekt. Und doch war Blessings Wechsel nicht von vornherein ausgemacht - es gab auch noch andere Kandidaten. Nach Informationen unserer Redaktion war unter anderem Thyssenkrupp-Personalchef Oliver Burkhard für den Vorstandsposten bei VW im Gespräch. Für Burkhard sprach, dass er bei Thyssenkrupp Erfahrung darin sammeln konnte, wie Beschäftigten in einem Krisen-Konzern ein Kulturwandel zu vermitteln ist. Doch Burkhard lehnte ab, erst vor Kurzem hatte er seinen Vertrag in Essen bis Januar 2021 verlängert bekommen. Thyssenkrupp wollte sich dazu gestern nicht äußern.

Doch die Anfänge der Kandidatenkür bei VW liegen noch länger zurück. Schon vor über einem Jahr wurde nach einem neuen Personalchef gesucht als Nachfolger für den bisherigen VW-Personalchef Horst Neumann, der inzwischen im Ruhestand ist. Auch damals schon war Blessing im Gespräch, wie er selbst bestätigt, und auch damals war er nicht der einzige Kandidat. Als Favorit galt Bernd Osterloh, der mächtige VW-Betriebsratschef. Es gab aber auch Stimmen in der IG Metall, die eine Frau auf dem Posten forderten.

Osterloh jedenfalls wurde es nicht. Mitten im Auswahlverfahren wurde bekannt, dass er bei einem Wechsel auf die Arbeitgeberseite das 26-fache Gehalt beziehen würde. Also 6,5 Millionen Euro Jahresgehalt statt 250.000 Euro. Allzu leicht hätte er damit wohl als gekaufter Betriebsrat dagestanden. Osterloh selbst begründete seinen Rückzug hingegen damit, dass er seine Kollegen mitten im Abgas-Skandal nicht allein lassen wollte.

Dass Blessing nun in der zweiten Runde zum Zuge kommt, hat er wohl auch seinen guten Kontakten zum schwäbischen Arm der IG Metall zu verdanken, zum früheren Vorsitzenden Berthold Huber und dem amtierenden IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Huber war bis vor Kurzem auch kommissarischer Aufsichtsratschef bei VW. Blessings gute Kontakte zur Gewerkschaft rühren noch aus der Zeit, als er Büroleiter des legendären IG-Metall-Chefs Franz Steinkühler war.

Die Gewerkschaft war es auch, die Blessing in die Stahlindustrie vermittelte. 1994 wurde er Personalchef der Dillinger Hütte, später führte er den Stahlhersteller als Vorstandschef mit der benachbarten Saarstahl zusammen. Mehrere tausend Stellen fielen in der Zeit weg, und zwar ziemlich geräuschlos, ohne große Proteste.

Blessing gilt als durchsetzungsfähig, trägt das aber nicht vor sich her. Meist spricht er leise, tritt unauffällig auf. Diese Eigenschaften wird der Autofan von Januar an bei VW gut gebrauchen können. Immerhin gab es gestern zunächst einmal eine gute Nachricht: Anders als ursprünglich befürchtet sind nach Angaben des Konzerns nicht 800.000, sondern nur maximal 36.000 Fahrzeuge von den falschen CO2-Abgaswerten und Spritverbrauchs-Daten betroffen.

Um Stellenabbau wegen der Abgas-Affäre wird der Autokonzern wohl dennoch nicht herumkommen. Blessing übernehme die Aufgabe in einer schwierigen Zeit, betonte gestern VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Und Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil, zugleich VW-Aufsichtsrat, lobte: Blessing sei ein "hochkompetenter Manager mit breiten industriellen Erfahrungen". Dass er künftig nichts mehr mit Politik zu tun haben wird, braucht Blessing also nicht zu befürchten.

(RP)
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